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Machtbewusst, modern und barfuß: Bischof mit sozialer Ader

Köln, 16. März 1021: Der Erzbischof ist tot! Sein Sterben und die Begräbnisfeierlichkeiten finden als öffentliche Liturgie statt. Die gesamte Kölner Kirche nimmt Anteil daran. Genau 1000 Jahre später erinnern das Katholische Stadtdekanat Köln, die Deutzer Pfarrei St. Heribert und die Griechisch-Orthodoxe Kirchengemeinde „Entschlafen der Gottesgebärerin“ in Köln an den Tod des heiligen Heribert. Als Erzbischof stand er von 999 bis 1021 der Kirche von Köln vor und gehörte als Kanzler des Kaisers zu den profiliertesten Spitzen des mittelalterlichen Reiches. Er gab mit der Gründung der Abtei Deutz den Anstoß zu einer nachhaltigen Entwicklung des rechtsrheinischen Köln. Heribert setzte seine Macht als Erzbischof gezielt für Gerechtigkeit und Frieden ein.
Der heilige Heribert in einem Fenster des Kölner Domes (Ausschnitt).
Datum:
16. Feb. 2021
Von:
Joachim Oepen

Heute fällt es schwer, sich ein Bild von dem individuellen Menschen Heribert zu machen. Manche seiner Handlungen wirken auf uns zumindest merkwürdig. Sie sind aber dem mittelalterlichen Bewusstsein für Rituale geschuldet, etwa wenn Heribert nach seiner Erhebung zum Erzbischof von Köln barfuß in die Stadt einzog. Dennoch: Heribert von Köln war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, sein Wirken hat bis heute Spuren hinterlassen und manche Aspekte seiner Biografie wirken geradezu modern.

Um 970 geboren, stammte er aus dem Geschlecht der Konradiner, einer der wichtigsten Familien des Reiches. Heribert erhielt daher seine Ausbildung in der angesehenen Wormser Domschule, wo er später Dompropst wurde. Bald gehörte er auch zum Kreis der Hofkapelle, eine Art Kaderschmiede für Politik, Verwaltung und auch Kriegsdienst im unmittelbaren Umfeld des Königs. Diese hohen Kleriker standen im Dienst von König, Reich und Kirche.

Freund des Kaisers

So entstand der Kontakt zu König Otto III. (reg. 980/83-1002), dem Heribert zum Berater, ja Freund wurde. 994 zum Leiter der Kanzlei für Italien (und später für das gesamte Reich) bestellt, begleitete Heribert zwei Jahre Otto III. bei seinem Zug nach Italien, um in Rom zum Kaiser gekrönt zu werden. Wesentlichen Anteil hatte er an den hochfliegenden Plänen des Kaisers einer „Renovatio imperii Romanorum“, nichts weniger als der Erneuerung des römischen Reiches – aber unter christlichen Vorzeichen. Darin mag man bereits einen Vorläufer des modernen Europa-Gedanken erblicken, waren doch auch etwa Polen und Ungarn bei der „Renovatio“-Idee Ottos mit im Blick. 

Die Wahl Heriberts zum Erzbischof von Köln (999), einem der wichtigsten Bischofssitze des Reiches, war dann ein folgerichtiger Akt. Doch das jähe Ende der großen Vision folgte schnell: Otto III. wurde aus Rom vertrieben und starb zu Beginn des Jahres 1002 mit nur 21 Jahren an Malaria. Damit waren alle Pläne der Erneuerung des Reiches hinfällig und mehr noch, mit dem kaiserlichen Nachfolger Heinrich II. kam es zum Bruch – und erst kurz vor Heriberts Tod zur tränenreichen Aussöhnung.

Manager mit Herz

Damit war Heribert faktisch kaltgestellt, wenigstens hinsichtlich seiner Wirkungsmöglichkeiten auf Reichsebene – ein Karriereknick, wie ihn auch heute führende Persönlichkeiten nicht nur in der Politik immer wieder erfahren müssen. Heribert indessen tat das Naheliegende: Er konzentrierte sich auf seine Aufgaben als Erzbischof von Köln. Dabei kamen ihm gleichermaßen seine Erfahrungen wie sein Geschick als Organisator in Verwaltungsdingen zu Gute. Es sind mehr als die in den Quellen üblichen Topoi, was von den Maßnahmen des Erzbischofs im sozial-karitativen Bereich berichtet wird, nicht zuletzt angesichts furchtbarer Hungersnöte nach der Jahrtausendwende. So entwickelte Heribert „ein bemerkenswert soziales Profil, in dem sich christlich-karitatives Engagement mit – modern gesprochen – effizientem Management verband“ (Heribert Müller). Kurzum: Heribert verstand es, seine erzbischöfliche Macht einzusetzen für Gerechtigkeit und Frieden.

Zu den nachhaltigsten Spuren, die Heribert in der Geschichte von Stadt und Erzbistum hinterließ, gehört die Gründung der Abtei Deutz. Sie hängt mit der „Renovatio“-Idee zusammen und auch mit der Freundschaft zu Otto III.: Beide leisteten ein gegenseitiges Gelöbnis, dass der Letztlebende von Ihnen ein der Gottesmutter geweihtes Kloster gründen sollte. So ist zu verstehen, dass sich Heribert 1002, unmittelbar nach dem Tod von Otto III., an die Umsetzung des Gelöbnisses machte und in den Ruinen des spätantiken Kastells Deutz eine Klostergründung initiierte.

So entstand auf der anderen Rheinseite gegenüber der alten Bischofsstadt Köln ein weithin sichtbarer, mächtiger Zentralbau. Sehr bewusst knüpfte er an die entsprechenden Anlagen in Aachen und Ravenna an, um als steingewordenes Zeugnis die Erneuerungsidee zum Ausdruck zu bringen. Noch heute kann man den Dimensionen der Zentralanlage in dem ungleich bescheidenen Bau von Alt-St. Heribert nachspüren. Letztlich war die Gründung der Abtei aber auch eine langfristig wirkende infrastrukturelle Maßnahme, die den Startschuss bildet für die bis heute andauernde Entwicklung und Anbindung von Deutz und des rechtsrheinischen Stadtgebietes.

Schnelle Heiligenverehrung

In seiner Deutzer Gründung fand Erzbischof Heribert seine letzte Ruhestätte. Hier begann gleich nach seinem Tod eine spontane Verehrung als Heiliger; schon gut zehn Jahre später wird er als „sanctus“, als „heilig“ bezeichnet. Damit ist der heilige Heribert der Vorletzte in der Reihe der Kölner Erzbischöfe, die als Heilige verehrt werden. Bis heute sind die Deutzer Kirchen Alt- und Neu-St. Heribert Mittelpunkte der Verehrung, doch halten etwa auch die heutigen Kölner, die den Namen Herbert oder Heribert tragen, die Erinnerung an ihren Namenspatron wach.

Außergewöhnlich sind schließlich mehrere, meist hochrangige und beeindruckende Objekte, die sich unmittelbar mit dem heiligen Heribert verbinden. Neben dem Schrein aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sind dies unter anderem die Textilien aus dem Schrein, sein Messgewand, sein Stab sowie ein liturgischer Kamm. 

Eine außergewöhnliche Persönlichkeit und ein nachhaltiges Wirken für Deutz und darüber hinaus, die Verehrung als Heiliger, schließlich die beeindruckenden materiellen Überreste – das sind genügend gute Gründe, um den heiligen Heribert aus Anlass seines Todestages vor 1000 Jahren in den Blick der Öffentlichkeit zu heben. 

Einen vertiefenden Beitrag des Historikers und Heribert-Autors Professor Dr. Heribert Müller finden Sie im Portal Rheinische Geschichte.