Fairness-Abkommen im Wahlkampf: Kirchen wollen bei Verstößen der Parteien einschreiten
21. Januar 2025; ksd
Köln. Im Wahlkampf wird nicht selten mit harten Bandagen gekämpft. Daher haben sich die im Bundestag vertretenen Parteien (außer AfD und BSW) auf ein Fairness-Abkommen geeinigt, das die Unterzeichnenden auf einen sprachlich gemäßigten und nicht diffamierenden Umgang miteinander verpflichtet. Die evangelische und die katholische Kirche in Köln können sich da gewissermaßen als „Vorreiterinnen“ betrachten. In Kooperation mit dem Kölner Runden Tisch für Integration legen sie den demokratischen Parteien bereits seit 1998 eine Fairness-Vereinbarung als „inhaltliche Brandmauer“ vor.
Darin legen die Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Die Grünen und Volt sich darauf fest
– nicht auf Kosten von unter uns lebenden Menschen mit Migrationshintergrund Wahlkampf zu betreiben und inhaltlich fair zu bleiben;
– keine Vorurteile gegen die hier lebenden Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge zu schüren oder in den eigenen Reihen zu dulden;
– sich aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus zu engagieren;
– Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge nicht für negative gesellschaftliche Entwicklungen wie die Arbeitslosigkeit oder die Gefährdung der Inneren Sicherheit verantwortlich zu machen.
Politische Forderungen sollen also fair und sachlich begründet werden, ohne Ressentiments zu schüren. Außerdem erklären sich die Unterzeichnenden damit einverstanden, dass Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, und Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger als Obmänner fungieren und bei Verstößen öffentlich einschreiten können. Als Negativbeispiel führte Wolfgang Uellenberg van Dawen, Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration, die Debatte um das Bleiberecht der syrischen Flüchtlinge an – nur Stunden nach dem Sturz des Assad-Regimes und lange bevor sich für das Land eine stabile Zukunftsperspektive abzeichnet. Uellenberg van Dawen äußerte die Bitte, Verstöße gegen die Fairness-Vereinbarung, also z.B. rassistisch-diskriminierende Formulierungen auf Plakaten, Flyern oder im Rahmen von Podiumsdiskussionen, den Schiedspersonen per E-Mail an info@rundertischkoeln.de mitzuteilen.
„Weil unsere Demokratie geschützt werden muss"
Stadtsuperintendent Bernhard Seiger ging zunächst darauf ein, warum ein solches
Fairness-Abkommen nötig sei: „Weil unsere Demokratie geschützt werden muss.“ Viele Menschen seien
für Fakten gar nicht mehr zugänglich. Auch beklagte er eine Verrohung der Sprache und illustrierte
diese Beobachtung mit den „Windrädern der Schande“ und Alice Weidels beinahe genussvollen Gebrauch
des Begriffs „Remigration“ auf dem AfD-Parteitag.
„Es gibt eine Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit und zur Wahrheit“, stellte Seiger fest und brachte gleichzeitig seine Besorgnis angesichts der zunehmenden Macht der rechter Populisten über die Medien zum Ausdruck. „Wenn Wahrhaftigkeit nicht mehr funktioniert, sind Menschen lenkbar!“, warnte er.
Respekt gegenüber Politiker*innen
Seiger lobte die politischen Verantwortungsträger und -innen für ihren Einsatz für die
Demokratie und forderte zum Respekt gegenüber Politiker und -innen auf. „Die wichtigste Währung des
friedlichen Zusammenlebens ist Vertrauen“, erklärte Seiger und versprach: „Wer den Politikbetrieb
diffamiert, muss mit Widerstand rechnen!“
„Da gibt es kein Katholisch oder Evangelisch, nur christlich!“
Der Vorsitzende des Katholikenausschusses der Stadt Köln Gregor Stiels betonte den
ökumenischen Charakter der Vereinbarung: „Da gibt es kein Katholisch oder Evangelisch, nur
christlich!“ Es sei auch keine direkte Reaktion auf die AfD, denn bereits vor der AfD habe es ein
Fairness-Abkommen gegeben.
„Christliche Werte werden von der AfD nicht gelebt“, betonte Stiels, „darum können wir als Kirchen nicht still sein!“ Die Fairness-Vereinbarung habe viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien bekommen. Stiels betonte, wie wichtig es gerade jetzt wieder sei, für Demokratie und Grundrechte einzustehen. Die Antidiskriminierungsstellen hätten viel Zulauf und die Menschen würden sich auf einmal wieder trauen, „so etwas“ zu sagen.
Das beste Abkommen ist bekanntlich wertlos, wenn seine Einhaltung nicht kontrolliert wird und Verstöße ohne Konsequenzen bleiben, daher gibt es für diesen Fall, wie Bernhard Seiger erklärte, ein klar geregeltes Vorgehen: Zunächst würden der oder die Parteivorsitzende auf die Vorwürfe angesprochen. Erst im Falle, dass im persönlichen Gespräch keine Lösung erzielt wird, kommt die Veröffentlichung des gemeldeten Sachverhalts in Betracht. Im Hinblick auf den sehr kurzen Wahlkampf 2025 gab sich Seiger jedoch zuversichtlich: „Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird!“
„Für Menschenwürde und Demokratie“
Wer wissen möchte, wie eine Debatte über das Thema Migration in sachlicher, respektvoller
Form gelingen kann, ohne populistische Sprachmuster zu reproduzieren, dem schlägt Wolfgang
Uellenberg van Dawen vor, am 4. Februar um 18 Uhr den „Asylpolitischen Dialog“ in der Karl Rahner
Akademie zu besuchen. Unter dem Motto „Für Menschenwürde und Demokratie“ diskutieren dann mit Klaus
Adrian, Nilgül Filiz und Birte Lange zunächst drei Personen aus der „Praxis“ der Arbeit mit
Geflüchteten, bevor Kölner Kandidierende für den Bundestag zu dem Gesagten Stellung nehmen – die
Fairness-Vereinbarung im „Alltagstauglichkeitstest“.
Priska Mielke