Adveniat-Weihnachtsaktion 2023: „Flucht trennt. Hilfe verbindet“ – Bundesweite Weihnachtskollekte

28. November 2023; ksd

 

Essen. Einer von fünf Migrantinnen und Migranten weltweit kommt aus Lateinamerika. Verfolgung, Gewalt und Hunger zwingen Menschen ihre Heimat zu verlassen. Familien werden auseinandergerissen. Flüchtende verlieren auf den gefährlichen Routen ihr Leben. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat versorgt mit seinen Projektpartnerinnen und Projektpartnern vor Ort Flüchtende mit Lebensmitteln und Medikamenten, bietet in sicheren Unterkünften Schutz und ermöglicht mit Ausbildungsprojekten die Chance auf einen Neuanfang.

Die Weihnachtsaktion 2023 steht unter dem Leitwort „Flucht trennt. Hilfe verbindet“. Die Eröffnung mit Bischof Dr. Ulrich Neymeyr und Aktionsgästen findet am ersten Advent, 3. Dezember, im Bistum Erfurt statt und wird ab 11 Uhr live von DOMRADIO.DE übertragen. Die Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember in allen katholischen Kirchen Deutschlands ist für Adveniat und die Hilfe für die Menschen in Lateinamerika und der Karibik bestimmt. In der „Der Tod als ständiger Begleiter“ geht es um den Darién-Dschungel, das Nadelöhr des amerikanischen Kontinents. Hier riskieren Migrantinnen und Migranten ihr Leben. Eine Advaniat-Partnerorganisation hilft den traumatisierten und erschöpften Menschen weiter.

 

500 Meter liegen zwischen dem Fluss Membrillo und dem Dorf Canaan. Die Familie González Milla betritt nach zehn Tagen im Dschungel die erste menschliche Siedlung. Ein Triumph: Sie haben soeben den Darién hinter sich gelassen. Der Regenwald zwischen Kolumbien und Panamá wird mit seinen heimtückischen Sümpfen, zerklüfteten Bergen und reißenden Flüssen vielen Migranten zum Verhängnis. Das steile, glitschige Ufer und die brennende Sonne stellen die Familie aus Venezuela vor eine letzte harte Probe, die sie schweigend und stoisch, Schritt für Schritt, bewältigen. 

Zwölf Einbäume liegen am Ufer des Membrillo, besetzt mit Migranten aus der ganzen Welt: Der Afghane Mohamed Hamid Asisi flieht vor den Taliban, die Haitianerin Mylaine Richard vor der Anarchie in ihrem Land und den mordenden Banden, der Somali Filsan Hersi vor dem Verhungern. Familie González Milla, auf der Flucht vor Korruption und sozialistischer Mangelwirtschaft in Venezuela, kommt als letzte in der Siedlung an.

 

„Der Dschungel ist die Hölle“

 

Die 51-jährige Arely hat sich unterwegs den Knöchel verstaucht. Ihr Schwiegersohn Carlos González musste sie eine Woche lang mehr oder weniger durch den Dschungel tragen. Er versank knietief im Schlamm und stürzte mehrfach. Carlos ist nur noch Haut und Knochen, das Gesicht aschfahl. Seine Frau Zurely geht vorweg, den sechsjährigen Sohn Snyder an der Hand. Der dünne Junge braucht einen Arzt, er hat seit Tagen Fieber und Durchfall. Von den 250.000 Migranten, die im Jahr 2022 den Darién durchquerten, waren 35.000 minderjährig. 

Nach der Überfahrt hievt César Milla, der hagere 50-jährige Mann von Arely, das nasse Zelt und einen Rucksack aus dem Boot. Er blickt auf die Menschenprozession, die sich nun vor ihm den Hang hochquält. Seine Mine ist ernst. „Der Dschungel ist die Hölle“, sagt er, und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. „Es ist ein Wunder, dass wir es geschafft haben.“ Denn der Weg führte buchstäblich über Leichen.

 

Windeln auf dem Schwarzmarkt erbettelt

 

Familie González Milla stammt aus Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. Arely arbeitete als Pflegerin, César betrieb einen Marktstand, Tochter Zurely war Verkäuferin im größten Einkaufszentrum der Stadt und Schwiegersohn Carlos vertrieb Ersatzteile für Motorräder. Doch die galoppierende Inflation ließ das Einkommen zwischen den Fingern zerrinnen. Die grassierende Kriminalität verbreitete Angst und Schrecken, und die Supermarktregale wurden immer leerer aufgrund der Wirtschaftskrise und der Korruption der sozialistischen Bürokratie. „Das war kein Leben mehr“, erzählt César. „Wir aßen einmal am Tag Reis mit Bohnen oder Linsen.“ Zurely erbettelte auf dem Schwarzmarkt Windeln für Snynder. „Zwei unserer Töchter sind bereits in Costa Rica. Deshalb haben wir alles verkauft und uns auf den Weg zu ihnen gemacht“, so Milla. Allerdings ohne jede Vorstellung, welche Strapazen sie auf der Reise erwarteten.

„Wir hatten nur für fünf Tage im Dschungel Essen dabei“, erzählt Milla. Im Dorf angekommen reibt er sich vor dem Zelt die nackten, schmerzenden Füße. „Ich habe tagelang nur Wasser mit Salz zu mir genommen.“ Zum Hunger kamen die Erschöpfung, die ständige Nässe, die giftigen Schlangen, die weinenden Kinder und die Aasgeier, die über der Gruppe kreisten. 2022 ließen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen 50 Migranten im Dschungel ihr Leben. Die meisten werden in dem unerschlossenen, schwierigen Gelände nie geborgen. 

„Am dritten Tag brach eine schwangere Haitianerin aus unserer Gruppe zusammen“, sagt Milla. „ Aber wir mussten weiter, um noch vor Einbruch der Dunkelheit das nächste Camp zu erreichen.“ Wer nachts in der Dunkelheit läuft, ist wegen der Raubkatzen lebensmüde, hatten die Schlepper gewarnt. Immer wieder stießen sie auf menschliche Überreste. „Ich habe Snyder dann abgelenkt, aber das hat nicht immer geklappt“, seufzt seine Mutter Zurely.

 

Abschiebung und sexuelle Übergriffe

 

Im Dorf treffen sie auf Elías Cornejo von der Migraten-Organisation Fé y Alegría (Glaube und Freude), die von Adveniat unterstützt wird. Er kramt das Medikament für den kleinen Snyder aus seinem Rucksack, zeigt der Familie, wo sie ihr Zelt aufschlagen kann und erklärt, dass sie sich beim Grenzschutz Senafront registrieren müssen, um ins Übergangslager gebracht zu werden. Senafront kooperiert nur ungern mit Hilfsorganisationen, weil sie das rigiden Vorgehen des Grenzschutzes kritisieren.

Fé y Alegría wird meistens geduldet, hat aber keine offizielle Genehmigung, permanent humanitäre Hilfe zu leisten. Geflüchtete zu transportieren – selbst wenn es sich um Sterbenskranke handelt – ist strikt verboten. Migration ist für die panamaische Regierung ein Sicherheitsproblem. Durchreisende werden registriert, in umzäunte Lager verfrachtet und dann so schnell wie möglich per Boot und Bus zur costa-ricanischen Grenze gebracht. 

Doch nicht alle wollen oder können so schnell Panama verlassen – ihnen steht Cornejo bei. Eine Gruppe von Kubanerinnen und Venezolanern löchert ihn mit Fragen. „Den Grenzbeamten traue ich nicht. Wer weiß, ob sie dich nicht abschieben”, sagt eine Kubanerin. Ihr Misstrauen ist gerechtfertigt. Der UN-Sonderberichterstatter für Flüchtlinge hat 2023 in einem Bericht den Senafront kritisiert. Die Lager des Grenzschutzes seien unhygienisch und prekär, es komme zu sexuellen Übergriffen, Frauen werde ein Busticket im Tausch für sexuelle Dienstleistungen angeboten, und die Migranten seien de facto inhaftiert, da sie das Lager nicht verlassen dürfen, heißt es in dem Bericht. 

Cornejo hat schon in anderen Ländern Mittelamerikas gearbeitet. Er kennt die Lage und die Route der Migranten, die Fallstricke, die sicheren Unterkünfte und die rechtlichen Kniffe. „Informationen aus erster Hand und Hilfe bei konkreten Problemen sind das Wertvollste, was wir den Migranten geben können“, sagt er und kramt aus den Tiefen seiner Hosentaschen Bonbons und Kaugummis für die Kinder. Ein Geschenk, mit dem er sogar dem geschwächten Snyder ein Lächeln entlockt. Der Sechsjährige wird gesprächig und erzählt von der Schule, die er in Costa Rica hoffentlich bald besuchen wird. „Meinen Namen kann ich schon schreiben“, sagt er stolz, und verewigt sich mit krakeligen Druckbuchstaben im Notizbuch der Reporterin. 

Text: Sandra Weiss; Fotos: Florian Kopp (7); Jonas Brander (3)

 

www.adveniat.de

  

Aufruf der deutschen Bischöfe

 

Liebe Schwestern und Brüder,

jeder sechste Mensch weltweit, der vor Armut, Gewalt und Hoffnungs­losig­keit flieht, stammt aus Latein­amerika oder der Karibik. Während viele staat­liche Ein­rich­tungen oft taten­los zuschauen, ist es die Kirche vor Ort, die sich für ein menschen­würdiges Leben der Flücht­linge ein­setzt. Unser Latein­amerika-Hilfs­werk Adveniat unterstützt sie seit Jahr­zehnten dabei. Dazu passend steht die dies­jährige Weihnachts­aktion von Adveniat unter dem Motto „Flucht trennt. Hilfe verbindet“.

An Beispielen aus Kolumbien, Panama und Guatemala zeigt Adveniat, wie sich Gemeinde­mit­glieder, Ordens­leute und Priester mit großem Ein­satz um die Flüch­tenden kümmern: sei es mit Gemein­schafts­küchen, mit der Unter­kunft in sicheren Flücht­lings­her­bergen, mit medi­zi­nischer Ver­sor­gung, mit juristi­schem, psycho­logi­schem oder seel­sorg­lichem Bei­stand. Damit gibt die Kirche in Latein­amerika und der Karibik den­jenigen neue Hoff­nung, die viel zu oft auch um ihr Leben fürchten müssen.

Angesichts der gestiegenen Flücht­lings­zahlen in Latein­amerika und der prekären Lage der Flüch­tenden sind die kirch­lichen Unter­stützungs­angebote wich­tiger denn je. Deshalb bitten wir Sie um Ihre soli­da­rische und groß­zügige Spende bei der Weih­nachts­kollekte, die den Pro­jekten von Adveniat zugute­kommt. Zeigen Sie sich den armen Menschen in Latein­amerika und der Karibik verbunden, auch durch Ihr Gebet!

Der Eröffnungsgottesdienst aus dem Erfurter Dom mit Bischof Dr. Ulrich Neymeyr wird mitgefeiert von den Aktionsgästen Lourdes Álvarez aus Kolumbien, Kardinal Álvaro Ramazzini aus Guatemala sowie mit der musikalischen Gestaltung durch Jugendliche des Ensembles „sonidos de la tierra“ aus Paraguay und den Jugendchor Leinefelde.

  

Kollekte und Spenden

 

An Heiligabend, 24. Dezember, und am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, wird in ganz Deutschland in allen Gottesdiensten für die Adveniat-Weihnachtsaktion gesammelt.

Spenden sind online möglich sowie auf das Konto

Bischöfliche Aktion Adveniat

IBAN: DE03 3606 0295 0000 0173 45

SWIFT-BIC-Code: GENODED1BBE

 

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