„Ängste überwinden“: Appell von Alt-Katholik Andreas Krebs zu mehr Mut in Ökumene und Gesellschaft

28. Januar 2020; ksd

Köln. Die Jubelbilder aus dem Willkommenssommer 2015, als unzählige Menschen Flüchtlinge mit offenen Armen in Deutschland empfingen, sind noch nicht vergessen. Doch längst haben andere Bilder beziehungsweise Themen sie weitgehend abgelöst: das Erstarken der AfD und anderer rechter Kräfte, Rassismus und Forderungen nach Abschottung und vieles mehr, das die gesellschaftliche Diskussion bestimmt. Dazu kommt die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Seenotrettung von Geflüchteten. Beim traditionellen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln zum neuen Jahr hat sich jetzt in der AntoniterCityKirche der alt-katholische Theologe Professor Dr. Andreas Krebs mit dem Thema Gastfreundschaft befasst.

„Vergesst die Gastfreundschaft nicht“ waren die ACK-Veranstaltung und Krebs' Predigt im Gottesdienst überschrieben. Auch wenn viele Menschen gerne gastfreundlich sind, schwingt bewusst oder unbewusst immer auch ein bisschen Angst mit, machte der Direktor des Alt-Katholischen Seminars an der Universität Bonn deutlich: Wird sich der Gast wohlfühlen? Gefällt ihm mein Zuhause? Und was passiert, wenn er mich beim Wort nimmt, sich „wie zu Hause“ zu fühlen, und womöglich anfängt, mein Zuhause umzukrempeln? Und mich dann am Ende aus meinem eigenen Heim vertreibt?

Das „Geschehen zwischen Gastgeber und Gast ist heikel, potenziell schön und potenziell gefährlich“, so Krebs in seiner Predigt. Doch nicht von ungefähr mahnte der Verfasser des biblischen Hebräerbriefes seine Leser: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ Krebs griff dann das Konzept der „Unbedingten Gastfreundschaft“ auf, das der französische Philosoph Jacques Derrida entwickelte. „Unbedingte Gastfreundschaft“, zitierte er Derrida, bestehe darin, „dass ich mein Zuhause öffne, und nicht nur dem Fremden, sondern auch dem Unbekannten, absolut Anderen ,Statt gebe‘, ohne von ihm eine Gegenseitigkeit zu verlangen oder ihn nach seinem Namen zu fragen.“

„Gastfreundschaft steckt an“

Vielleicht sei der Willkommenssommer 2015 eine Form der unbedingten Gastfreundschaft gewesen, so Krebs weiter. Doch klar sei auch, „dass es am Ende doch nicht ganz so einfach war“ spann Krebs einen Bogen von der zum Symbol gewordenen „Kölner Silvesternacht 2016“ über das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in vielen Ländern Europas bis zu den „grauenhaften Lagern“ in Italien und Griechenland, in denen Flüchtlinge leben müssen, und weiter bis zu den tausenden Geflüchteten, die immer noch im Mittelmeer ertrinken. „Ich weiß, es gibt keine einfachen Antworten“, sagte der Theologe, „da wirken tragische Verstrickungen, die oft grausame, schreckliche Folgen haben. Die meisten dieser Folgen aber erleiden nicht wir, sondern andere. Auch deshalb rebelliert alles in mir dagegen, die infernalischen Flüchtlingslager und das Massensterben im Mittelmeer als Normalität anzuerkennen.“ Was auch immer die Schwierigkeiten und unabsehbaren Folgen seien, „so darf man mit Menschenleben nicht umgehen“, betonte Krebs.

Er freue sich darüber, dass nun auch Kirchen Seenotrettungsschiffe schicken. „Das ist ein Zeugnis, wie es gerade von Christen gefordert ist“, sagte der Prediger. Mancher habe in seinem Engagement für Flüchtlinge und im Sommer 2015 überraschende Erfahrungen gemacht: „Indem er einem Fremden die eigene Heimat nahebrachte und jene des anderen kennenlernte, hat er sich auch selbst wieder neu mit dem eigenen Land, der eignen Kultur auseinandergesetzt – und ist wieder neu und anders darin ,heimisch‘ geworden.“

Mit Blick auf die Ökumene appellierte Krebs an die Kirchen, mehr Mut zu haben. Er erinnerte an das Abkommen zur gegenseitigen eucharistischen Gastfreundschaft zwischen den Alt-Katholiken und der Evangelischen Kirche. „Ich bin überzeugt, dass Gastfreundschaft ansteckt und den Anderen, was mir lieb ist, lieben lehrt; und dass der Andere mich wiederum mit Neuem, Unerwartetem beschenkt“, erklärte Krebs. „Ich wünsche uns weniger Angst, in der Ökumene, in der Gesellschaft, im Umgang miteinander“, sagte er abschließend. „Angst ist nicht immer unbegründet, überall gibt es Probleme, und man muss über die Probleme sprechen. Ich rufe nicht zur Naivität auf, und ich weiß, dass es auch Gäste gibt, mit denen man böse Überraschungen erlebt. Aber am Ende soll uns die Angst nicht bestimmen. Am Ende sollte es immer wieder möglich sein, dass die Geste der Gastlichkeit die Angst überwindet, die Angst vor dem Fremden, dem Anderen, dem Unbekannten. Letztlich ist es nämlich so, dass ich ohne den Anderen das Eigene erst gar nicht finden kann. Die Angst hingegen – sie wird bestimmt die unverhofften Engel nicht erkennen.“

Die ganze Predigt von Professor Dr. Andreas Krebs gibt es hier zum Nachlesen.

Mehr über die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Köln finden Sie hier.

  

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