„Die Namen kennt jeder“: Stadtdechant Robert Kleine appelliert an die Bistumsleitung, ihre Verantwortung wahrzunehmen

1. Februar 2021; ksd

 

Köln. Seit Monaten beschäftigt die Menschen im Erzbistum Köln die Frage, wie es mit „ihrer“ Kirche weitergeht. Das zurückgestellte Gutachten zum Thema Missbrauch frustriert, verunsichert und verärgert viele Haupt- und Ehrenamtliche. Den Kölner Stadtdechanten Msgr. Robert Kleine erreichen viele solcher enttäuschter oder auch wütender Anfragen und Kommentare. Und auch ihn selbst trifft das Leid tief, das durch das Zerren um Aufklärung und Gerechtigkeit auf der einen sowie Verzögerung und Schweigen auf der anderen Seite vor allem bei den Betroffenen entsteht, aber auch bei vielen Gläubigen und Engagierten. Deutliche Worte fand er deshalb jetzt auch in einigen Interviews zum Thema Missbrauchsuntersuchung und Verantwortung. Im Interview mit DOMRADIO.DE appelliert Kleine erneut an die Bistumsleitung, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Und das vor dem 18. März, wenn das zweite, das neue Gutachten veröffentlicht werden soll. Darüber hinaus macht er deutlich, dass der Missbrauch in der katholischen Kirche auch mit dem Missbrauch von Macht zu tun hat.

 

„Es muss Konsequenzen geben“

 

„Mir tun die Betroffenen furchtbar leid und, dass sie jetzt auch durch diese ganzen Aktionen mit den Gutachtern, mit dem Verschieben, mit Gesprächen, mit dem Betroffenenbeirat auch das Ganze nochmal durchleben. Das tut mir  sehr leid“, betont Kleine im Interview mit Johannes Schröer von DOMRADIO.DE. Daneben täten ihm die Menschen leid, die sagen: „Eigentlich möchte ich doch meinen Glauben leben.“ Kleine: „Das Evangelium sagt: ,Strahlt etwas aus! Ihr seid Salz der Erde, ihr seid Licht der Welt! Im Augenblick ist alles fad und es ist verdunkelt.‘ Da muss es auch einen Abschluss geben und es muss Konsequenzen, wie auch immer, geben.“

Er hätte sich gefreut, wenn der ein oder andere Verantwortliche im Verlauf des Prozesses gesagt hätte: „Ich habe nicht bewusst etwas falsch gemacht. Ich habe nicht Täter geschützt. Aber im Nachhinein muss ich erkennen, dass ich das ein oder andere Mal so entschieden habe, wie ich es heute nicht mehr tun würde. Ich habe erkannt, dass ich damals vielleicht falsch gehandelt habe. Oberflächlich. Das tut mir leid.“ Dann gelte es auch, in Kontakt zu treten mit den Betroffenen.

 

„Es muss ein Tag der Entscheidung werden"

 

Seit dem Amtsantritt von Kardinal Rainer Maria Woelki sei viel im Bereich Aufklärung und Aufarbeitung geschehen, so Kleine. „Da waren wir führend in Deutschland“, sagt der Kölner Stadtdechant. Er wünscht sich, dass das, was man schon erreicht hatte, nicht dauerhaft verspielt wird und konstatiert gleichzeitig, dass der Vertrauensverlust unter den Menschen im Erzbistum bereits sehr groß ist. „Und Vertrauen kann man sich nur verdienen.“

Die Menschen würden im Moment der Übergabe des zweiten Gutachtens eine Reaktion und Konsequenzen erwarten, betont Msgr. Kleine und verweist auf die Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise, in der das Erzbistum Köln bereits steckt. Er gehe nicht, wie mancherorts berichtet, auf Distanz zu Kardinal Rainer Maria Woelki: „Der Erzbischof ist mein Erzbischof. Aber ich möchte einladen: die Bistumsleitung, den Erzbischof und auch den Generalvikar, ganz genau hinzuschauen. Wie kann dieser 18. März so gelingen, dass er nicht zu einem Desaster führt, nicht zu noch mehr Enttäuschung, sondern wirklich ein Tag wird, wo man sagen kann: ,Es ist ein Tag der Entscheidung, ein Tag der Bekanntmachung.‘ Und dann können wir miteinander gut auf dem Weg weitergehen, auch auf dem Weg des Pastoralen Zukunftsweges, um zu sagen: ,Wie können wir als Bistum ausstrahlen, wie können wir mit weniger Personal, mit weniger Finanzen, Kirche von Köln positiv leben und dann auch ansteckend und ausstrahlend sein und vielleicht auch wieder Menschen neu gewinnen?“

 

„Noch immer fassungslos"

 

Kleine zeigt sich in dem sehr persönlichen Gespräch auch weiterhin tief betroffen vom Missbrauch durch Priester und andere Kirchenangehörige: „Wenn ich daran denke, wie damals die ersten Missbrauchsfälle bekannt wurden: da war ich fassungslos und bin weiter noch fassungslos. Kann ich verstehen, wie Priester, die denselben Weg gegangen sind, wie ich, jemanden missbrauchen und dann auch noch in Ruhe weiter Priester sind? Diese Verbrechen kann ich nicht verstehen."

 

Das ganze Interview können Sie hier nachlesen.

  

Zurück