Die Suche nach der neuen Form: Boscher Theodors Installation LichtHof zum Domjubiläum / Bis 27. September im DOMFORUM

9. August 2022; ksd

Köln. Ein Spiel aus Licht, Farben und Reflexionen, ständig in Bewegung. Die Besucherinnen und Besucher des DOMFORUMs erwartet in den kommenden Wochen eine aufregende Begegnung mit zeitgenössischer Kunst. Und sie werden mittendrin sein. 

Gespeist wird die bewegte Kunst aus kaskadierend gehängten Elementen mit zumeist transparenten, leicht spiegelnden Filmstreifen, die sich aus der Höhe des DOMFORUMs hinunter in Richtung des offenen Foyers ergießen. Vom 17. August bis 27. September wird die Installation LichtHof des in Köln lebenden Künstlers Boscher Theodor gezeigt. In Auftrag gegeben wurde sie aus Anlass des Domjubiläums, das die Fertigstellung des gotischen Hochchores vor 700 Jahren feiert. Die Vernissage findet am Dienstag, 16. August, um 19.30 Uhr statt.

 

Ein Bild der Bildlosigkeit

 

Boscher Theodors Kunst wurzelt in der Verbindung von Malerei und Film. 2010 fing er an, mit den Zelluloids zu arbeiten, wie er sie nennt. Es sind Filmstreifen, die sogenannte Startcodes für einen Film enthalten, aber unbelichtet sind. „Darauf habe immer Wert gelegt“, sagt er. „Diese Filmstreifen sind nie durch eine Kamera gelaufen. Das fand ich sehr wichtig, dass sie offenbleiben.“ Damit nicht ein Bild entsteht, sondern aus Licht und Reflexion ein meditativer Moment, der Raum bietet für Entspannung, für eigene Gedanken und Betrachtungen.

Waren Sie früher noch in einem Rahmen, sprengte Theodor das Konzept der Zelluloids in den vergangenen Jahren auf. Die Elemente von LichtHof sind in einem Aluminiumrahmen, der auf eine horizontale und eine vertikale Leiste reduziert wurde. Zum Teil sind die Streifen ineinander verwoben, die Enden hängen frei beweglich. Sie werden das Licht, das durchs Glasdach des Fritz-Schaller-Baus fällt, einfangen und reflektieren. „Die Reflexion ist die Erweiterung der Skulptur in den Raum und die Zuschauer hinein“, sagt Boscher Theodor. Es ist letztlich die Suche nach der neuen Form – einer Form, die frei ist und sich mit dem sich ändernden Licht immer wieder wandelt. „Das ist ein Bild der Bildlosigkeit und das finde ich sehr spannend.“

 

Das Universum als fließender Lichtfall

 

Zentimetergenau ist geplant, welches Element wo hängen wird. „Ich bin sehr gespannt, was mit dem Licht, mit dem Lichteinfall und den Reflexionen passiert“, sagt der Künstler. Die Kaskaden aus Licht erinnern bewusst an die Fenster der Gotik und bilden so eine Brücke hinüber zum Dom. „Die Fenster dort spiegeln, wie man sich früher das Universum vorgestellt hat“, erklärt Boscher Theodor, „in Kaskaden, als fließender Lichtfall.“ Während die Domfenster überwiegend figurativ sind und Geschichten erzählen, wird der Moment, die Wirkung im DOMFORUM in einer freieren, abstrakten Form passieren. „Die Narration findet auf einer anderen Ebene statt“, so Theodor.

Im Vorfeld von LichtHof hat Boscher Theodor eine Führung über den Dächern des Domes mitgemacht und ist bis heute begeistert: „Der ganze Eindruck und der Blick auf die Fenster über den Weg von oben durch den Dachstuhl runter – phantastisch! Ich bin immer noch total beeindruckt davon, auch von der Schönheit. Die sieht man eigentlich auch erst da oben. Das ist eine wahnsinnig schöne Erfahrung.“ Die Materialien, die Farben, die Kombinationen – all das sei enorm. Auch Zeit habe damals eine ganz andere Dimension gehabt. Generationen haben am Dom gearbeitet. „Heutzutage wäre sowas wahrscheinlich nicht mehr möglich und nicht mehr planbar.“

 

Wie eine Schatztruhe, die geöffnet wird

 

Die spirituelle Dimension seiner Arbeit hat ihren bewussten Anfang genommen in der Installation „ OPTIQUE TROMPEUSE“, die Boscher Theodor 2018 für die mittelalterliche, heute als Ausstellungsraum genutzte Kapelle von Mosset in Südfrankreich geschaffen hat. Es folgte ein Auftrag für St. Agnes: „ DUSK 2 DAWN“ (von der Dämmerung bis zum Morgengrauen) hieß die Installation, die 2021 im Chorraum der neugotischen Kirche hing.

Würde er sich als spirituellen Menschen bezeichnen? Ist durch diese Arbeite etwas gewachsen? „ Ich habe das da gelernt, als ich das erste Mal die Installation in Mosset gesehen habe“, sagt Theodor. „Das war wie eine Schatztruhe, die geöffnet wurde. In dem Kontext dieser mittelalterlichen Bruchsteinkapelle war das wirklich eine Erfahrung!“ Es habe Menschen gegeben, die ihm sagten: „Sie haben dem Raum die Spiritualität wiedergegeben“ – „und das fand ich total interessant, weil ich von meiner Konzeption her eigentlich nicht aus dieser Ecke kam“, so der Künstler. 

 

„Wir alle brauchen große Lichtblicke“

 

Wenn er im sakralen Raum arbeitet, geht es Boscher Theodor auch darum, nicht nur Malerei und Film zu verbinden, sondern auch alle Religionen miteinander. So wie das Licht universal ist und kein Mensch ohne es leben kann. Oder wie die Erde nicht ohne die Sonne existieren kann. Licht, das verbindende Topos der Malerei und des Films, spielt in fast alle Religionen eine wichtige Rolle als Metaphor, betont Boscher Theodor: „Licht ist der Anfang von allem. Und gerade, wenn man sich die jetzige Situation der Welt und der Gesellschaft ansieht, brauchen wir alle große Lichtblicke! Daraus zieht man ja auch Energie und neue Überlegungen.“

Zelluloid ist nicht nur das Trägermaterial für das Bewegtbild, das wir Film nennen. Durch seine Installationen, seine Zelluloids erschafft Boscher Theodor Bilder in Bewegung, neue „ Bewegungs-Bilder“, die wiederum in denen, die sie erleben, etwas in Bewegung setzen können. Die Bewegungs-Bilder sind auch ein Verweis auf unsere Zeit. „Wir sind ja ständig umgeben von bewegten Bildern“, sagt Boscher Theodor. „Sie prägen unsere Emotionen, unsere privaten Entscheidungen und Vorstellungen und unsere Lebensplanung.“ Dass er Zelluloid dabei als sein Material erwählt hat, ist weder Zufall noch Nostalgie. Denn hier geht es um neue Formfindung in einer sich stetig wandelnden Welt. „Das Raster ist die Ikone der Moderne“, sagt Boscher Theodor. „Und das bleibt auch so.“ 

 

Autorin: Hildegard Mathies

 

Alle Informationen zur Vernissage und zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier und auf www.domforum.de

 

Zur Ausstellung im DOMFORUM erscheint eine Edition in einer Auflage von 100 Stück, die im DOMFORUM erworben kann (Stückpreis: 240 Euro).

 

www.boschertheodor.eu

    

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