Evangelische und Katholische Telefonseelsorge Köln: Anonyme Hilfe und Unterstützung in Krisenzeiten
26. November 2024; ksd
Köln. „Ich habe niemanden, der mir wirklich zuhört!“ Wer dieses Gefühl hat, kann bereits seit 1953 zum Telefon und mittlerweile auch zu Smartphone oder Laptop greifen und Kontakt mit der Telefonseelsorge aufnehmen. Damals nahm in London die Erfolgsgeschichte einer ebenso einfachen wie segensreichen Idee ihren Anfang. In Köln riefen im vergangenen Jahr 26.450 Menschen bei der Evangelischen und Katholischen Telefonseelsorge an, circa zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Das entspricht etwa 73 Anrufen pro Tag. Bis zum 30. Oktober dieses Jahres waren es bereits 19.900 telefonische Kontakte. Offensichtlich besteht ein großer Bedarf an einem „offenen Ohr“.
„Wir nehmen wahr, dass es gerade nicht das eine Thema gibt“, stellte Dr. Dorit Felsch, Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge, fest. Sie nehme eine „Grunderschöpfung“ wahr: „Die Hoffnung ist aufgebraucht und die Menschen haben einfach keine Puffer mehr!“ Am häufigsten waren es Beziehungsprobleme, Konflikte in Partnerschaft, Familie oder Alltagsbeziehungen, die Menschen die Nummer der Telefonseelsorge wählen ließen, gefolgt von Ängsten, Stress und Erschöpfung, depressiven Stimmungen sowie Einsamkeit und Isolation. Erst an sechster Stelle der „Themen-Rangliste“ stand das körperliche Befinden der Anrufende, also konkrete Beschwerden, Erkrankungen oder Behinderungen. „ Scherzanrufe“ – früher ein recht häufiges Phänomen – gebe es kaum noch, bestätigten beide Leiterinnen.
„Rettungsanker“ in akuten Krisen und „Lebensbegleiterin“
In etwa neun Prozent der Telefonate – also verhältnismäßig selten – spielt das Thema Suizid
eine Rolle, während der Gedanke, seinem Leben selbst ein Ende setzen zu wollen, in der
Mailseelsorge (26 Prozent) und im Chat (28 Prozent) weit häufiger zur Sprache kommt. Die
Telefonseelsorge sieht sich allerdings nicht nur als kommunikativer „Rettungsanker“ in akuten
Krisen, sondern auch als „Lebensbegleiterin“. In diesem Zusammenhang betonte Dorit Felsch die „
Überbrückungsfunktion“ der Telefonseelsorge, die aus ihrer 24-stündigen Erreichbarkeit
resultiere.
Aktuell sind bei der Evangelischen Telefonseelsorge 90 und bei der Katholischen Telefonseelsorge 70 ehrenamtlich Mitarbeitende aktiv. Die Altersspanne liegt zwischen 29 und über 70 Jahren. Wer sich bei der Telefonseelsorge engagiert, verpflichtet sich zu einem ehrenamtlichen Einsatz von 15 Stunden im Monat (einschließlich einer regelmäßigen obligatorischen Supervision und Fortbildung). Nur etwa ein Drittel der Bewerbende sei geeignet, erklärte Annelie Bracke, Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge. Dorit Felsch betonte, wie wichtig eine ausgeprägte Teamfähigkeit als Voraussetzung für dieses Ehrenamt sei.
Jedes Jahr werden bei der Katholischen Telefonseelsorge etwa zehn bis zwölf Teilnehmende ausgebildet. Für die evangelische Schwesterorganisation gelten ähnliche Zahlen, allerdings hören pro Jahr auch circa acht bis neun Mitarbeitende auf. Während die Evangelische Telefonseelsorge bereits im Januar 2025 mit einer neuen Ausbildungsrunde startet, müssen sich Interessenten und Interessentinnen bei der Katholischen Telefonseelsorge noch bis zum Sommer gedulden. Die Ausbildungsgruppen werden von jeweils zwei hauptamtlichen Fachkräften, zum Beispiel von einer Psychologin, geleitet.
Absolute Niedrigschwelligkeit
Anders als andere Hilfs- und Beratungsangebote hat die Telefonseelsorge „kein
Veränderungsanliegen“. Ihr größter Vorteil, da waren sich Dorit Felsch und Annelie Bracke einig,
sei die „absolute Niedrigschwelligkeit“. Der Kontakt ist anonym möglich und die Nummer der
Telefonseelsorge erscheint, dank einer Vereinbarung mit der Telekom, auch nicht auf dem
Einzelverbindungsnachweis.
Auch wenn sich die Kommunikationsformen wandeln, das Bedürfnis, in Not und Verzweiflung nicht alleine zu sein und menschliche Nähe zu spüren, bleibt. Was diese „Zuwendung auf Distanz“ für Betroffene bedeuten kann, wird am Dank eines/einer Hilfesuchenden an alle Mitarbeitenden der Telefonseelsorge deutlich: „Über Jahre habe ich mich in mehr oder weniger großen Schwierigkeiten immer wieder an Sie gewendet. Die große Hilfe bestand darin, dass der Mensch am Ende der Leitung so anonym unparteiisch und wie ein klarer Spiegel zuhörte – die innere Stimme und die Sehnsüchte reflektierte. Die Telefonseelsorge war mir eine große Hilfe und ich möchte mich ganz ,unanonym‘ bedanken bei allen Zuhörern, Ratgebern und Beratern.“
Fundierte 10-monatige Ausbildung
Wer sich vorstellen kann, Menschen in Krisensituationen durch einfühlsames Zuhören und
hilfreiche Worte beizustehen und neugierig darauf ist, in einer fundierten zehnmonatigen Ausbildung
zunächst sich selbst besser kennenzulernen und dann Schritt für Schritt in die Kunst der
Gesprächsführung eingeführt und mit den zentralen Problemfeldern der Anrufenden vertraut gemacht zu
werden, kann mit Pfarrerin Dr. Dorit Felsch (telefonseelsorge.kirche-koeln@ekir.de oder Telefon
0221 317159) oder Diplom-Psychologin Annelie Bracke (mail@telefonseelsorge-koeln.de, Telefon 0221
2570184) Kontakt aufnehmen.
Priska Mielke