„Freude am Sieg und Gelassenheit in der Niederlage“: FC-Andacht im Kölner Dom unter Corona-Bedingungen

21. September 2020; ksd

 

Köln. Nur jede zweite Reihe ist besetzt, für die Öffentlichkeit ist die Veranstaltung gesperrt und statt Tausende sind nur 300 FC-Fans anwesend: Die traditionelle ökumenische Andacht vor dem ersten Spiel des 1. FC Köln sah völlig anders aus als im vergangenen Jahr. Da war der Dom bis auf den letzten Platz gefüllt, es wurden laute Gesänge angestimmt und Fahnen geschwenkt. In diesem Jahr war die Andacht „pandemiegerecht“, und, wie Stadtsuperintendent Bernhard Seiger feststellte, es war „fast alles anders“.

„Der Start einer neuen Saison ist für den Verein und für die ganze Stadt etwas Besonderes“, sagt Stadtdechant Robert Kleine. Doch es ist in diesem Jahr ein schwieriger Start, ein schwieriges Jahr für alle Kölner. Erst am Tag zuvor war der Karneval für die kommende Session abgesagt worden und dann kam am späten Nachmittag auch noch die Nachricht, dass nicht – wie geplant – 9000 Fans beim Saisonstart des FC dabei sein dürfen. Es sei wichtig, sehr wichtig, betont der Kölner Stadtdechant, dass wir diese Entscheidung gemeinsam mittragen. Er ruft zu verantwortlichem Handeln auf. „Wir – auch die Fans“, sagt Kleine, „müssen jetzt zusammenstehen, um diese schwierige Situation gemeinsam zu tragen.“

 

„Solidarität muss durchhalten“

 

Kleine erinnert an die Schwierigkeiten und das Leid der Corona-Pandemie, aber lenkt den Blick auch auf die anfangs große Solidarität. Es werde schon lange nicht mehr abends für die Pflegekräfte geklatscht, „aber die Solidarität – die muss durchhalten“, so der Stadtdechant. Ein gutes Beispiel dafür sei die FC-Stiftung, „die auch in dieser Zeit soviel Gutes geleistet hat für Menschen in Not und Sorge“. Viele von denen, die im Dom versammelt seien, habe die Corona-Zeit genutzt, um für andere da zu sein.

Kleines Predigt legt den Fokus auf Jesu Forderung „Du sollst Gott lieben und den Nächsten“. „ Wenn in aller Welt die Verantwortlichen in der Politik sich daran orientieren würden, nicht ,Mein Land first', sondern ,Liebe deinen Nächsten' “ zur Grundlage ihres Handelns zu machen, „dann sähe es sicherlich in unserer Welt ein wenig besser aus“, betont der Stadtdechant.

Die Menschen hätten aus Jesu Worten die „Goldene Regel“ gemacht: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ Jesus aber gehe noch einen Schritt weiter, indem er fordert: „Nicht nur das Schlechte nicht tun, sondern das Gute tun“, so Kleine. Nächstenliebe und Solidarität wünscht sich Kleine dann mit Blick auf den Sport, aber auch auf das Alltagsleben der Menschen, auf die Wirtschaft, die Kirchen und die Gesellschaft.

 

Ein Wunsch für die Kirchen

 

Und dann nennt er noch einen anderen Wunsch: „Manchmal wünschte ich der Kirche, dass wir auch so eine Ausstrahlung haben, dass nicht das Stadion, dass die Kirchen voll sind. Dass die Menschen kommen und sagen: ,Da ist eine Botschaft' – auch wenn da kein Spiel ist. Aber es ist eine Begegnung, nämlich die Begegnung mit dem lebendigen Gott.“ In der Pandemie hätten manche diese Begegnung „auch bewusst gesucht in der Stille der Kirchen, die nie geschlossen waren.“

Nach seiner Predigt spielt der Organist das Lied „Du bess die Stadt, op die mer all he stonn“. Jeder Kölner kennt den Bläck-Fööss-Song. „Frech wie Dreck, doch et Hätz ess jot“ heißt es in dem Lied. Das passt, schließlich hat Msgr. Kleine kurz vorher vom „jode Hätze“ der Kölner erzählt, vom solidarischen Jeföhl, das ein kölsches Jeföhl ist.

 

Verzicht und Dankbarkeit


Stadtsuperintendent Seiger bat in seinem Eingangsgebet darum, dass „wir als Christen das Leben fair und gerecht gestalten“ und so die Corona-Maßnahmen nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem der Anderen dienen. „Alles ist anders in diesem Jahr. Die Absage für die Fans im Stadion hat gewiss ihre Wirkung.“ Diese konnte man in den Gesichtern der Fans und FC-Verantwortlichen trotz Maske deutlich ablesen. Bernhard Sieger zeigte den Besuchern allerdings, dass man der ganzen Sache auch Positives abgewinnen könne: „Ich nenne zwei Stichworte – Verzicht und Dankbarkeit.“

Alle hätten jetzt ganz neu das Verzichten gelernt. Im vergangenen Jahr sei es rappelvoll gewesen im Dom, mit Fahnen und Gesängen. In diesem Jahr gibt es nur eine Handvoll Fans und sonst nichts. „ Wir haben gelernt zu verzichten. Wir konnten jahrelang tun und frei entscheiden, was wir wollten. Jetzt verzichten wir auf so vieles, etwa die Stimmung rund um das Spiel.“ Später werde man von dem erzählen, worauf man jetzt verzichtet hat, „Das ist nicht nur der Fußball, das ist der Besuch der alten Mutter, die Familienfeier oder gar der verlorene Job.“

 

Verzicht als die neue Form der Nächstenliebe


Das sei eine gute Gelegenheit, auf den Mann aus Nazareth zu sehen. „Er hat verzichtet auf Ehe, ein Zuhause, sogar darauf, sein Leben festzuhalten. Wie ging das? Er hat sich frei dazu entschieden.“ Die Schlussfolgerung: „Verzicht geht leichter, wenn ich mich freiwillig dazu entscheide.“ Verzicht sei die neue Form der Nächstenliebe.

Daneben sprach Seiger das Thema Dankbarkeit an. „Wir können dafür dankbar sein, hier zu sein, dankbar, dass es überhaupt Spiele gibt, dankbar für die Menschen, die jeden Tag folgenschwere Entscheidungen treffen müssen und für die Menschen, die das Leben aufrecht erhalten.“ Vor einem Jahr hätte man  bei solchen Aussage gefragt „Tickt der noch richtig?“. Jetzt seien unsere Ansprüche komplett durcheinander gewirbelt, alle würden bescheidener. „Dankbarkeit ist leichter bei freier Entscheidung, Dankbarkeit ist eine Haltung. Danke dass wir uns haben, danke für dieses Leben.“

 

Fairness und Freude

 

Es ist bewegend mitzuerleben, wie dann alle Fans aufstehen und gemeinsam das Vaterunser beten, alle können das Gebet auswendig, das Vaterunser gehört zur DNA der Heiligen Stadt. In den Fürbitten betet der Geschäftsführer des 1. FC Köln Alexander Wehrle für die Spieler aller Mannschaften. Ausgewählte Fans dürfen weitere Fürbitten verlesen - für die Klugheit der Schiedsrichter, für die Fairness, für alle an Corona Erkrankten und von Corona betroffenen Menschen.

„Ich bitte den Herrn um den Segen für eine faire Saison, für Freude an Sport und Spiel und für alle Fans“, so Stadtsuperintendent Seiger. „Für die Freude am Sieg und die Gelassenheit in der Niederlage“, betet Stadtdechant Kleine im gemeinsamen Schluss-Segen. Und dann erlaubt er den Gottesdienstbesuchern, die in gebotenem Abstand in den Kirchbänken sitzen für das Schlusslied die Masken abzunehmen – übrigens fast ausschließlich FC-Masken mit dem Geißbock darauf. „Mir stonn zo dir, FC Kölle“, das ist die FC-Hymne. Kaum hat der Organist das Intro gespielt, stimmen alle Fans ein, sie halten ihre Schals in die Luft und singen ihr Lied. Stadtdechant Kleine und Stadtsuperintendent Seiger haben den Altarraum verlassen und stehen jetzt zwischen den Fans im Mittelgang, auch sie haben ihre Fan-Schals in die Höhe gestreckt und singen textsicher mit. Auf dem FC-Schal von Msgr. Kleine steht „Europapokal“. Zur Frohen Botschaft eines Christen gehört es, Optimist zu sein.

 

Autoren: Klemens Surmann / Johannes Schröer / ksd

 

Auf DOMRADIO.DE können Sie die FC-Andacht noch einmal anschauen. Dort können Sie auch die Reportage von Johannes Schröer nachlesen, von der wir hier Auszüge verwendet haben.

 

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