Holocaust-Gedenktag 2021: Gegen das Vergessen – Demo „Einfach nur Mensch sein“, Erinnerung an Edith Stein und Video-Gedenkstunde

27. Januar 2021; ksd

Köln. Am 27. Januar gedenkt die Welt jährlich der Befreiung des nationalsozialistischen KZ Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945. Seit 2005 wird an diesem Tag offiziell der Internationale Tag des Gedenkens an die mehr als sechs Millionen Opfer des Holocaust begangen. In diesem Jahr finden in Köln aus diesem Anlass verschiedene Aktionen statt. Die traditionelle Gedenkstunde mit Schülerinnen und Schülern an der Gedenkstätte Löwenbrunnen wird coronabedingt in diesem Jahr online stattfinden. Das Video ist ab 12.30 Uhr auf dieser Website und auf dem YouTube-Kanal des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region abrufbar. Stadtdechant Msgr. Robert Kleine spricht das traditionelle Gebet am Schluss am Brunnen, der auf dem Gelände der früheren jüdischen Schule Jawne an die Deportation von mehr als 1100 jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Köln erinnert.

Der Kölner Stadt- und Domdechant erinnert an diesem Tag zudem an Edith Stein und legte Blumen an ihrem Denkmal am Börsenplatz nieder. Um fünf vor Zwölf versammeln sich darübner hinaus heute prominente Kölnerinnen und Kölner gemeinsam mit Samuel Koch zu einer Demonstration und Gedenkaktion auf der Hohenzollernbrücke. #EINFACHnurMENSCHsein ist die Aktion überschrieben, bei der die Versammelten für 60 Sekunden innehielten, um an die Ermordnung von mehr als sechs Millionen Menschen durch die Nazis zu erinnern. Auch hier war Msgr. Kleine vertreten, außerdem Diakon Jens Freiwald, Vorstand der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

 

Video-Gedenkstunde am Löwenbrunnen

 

Seit vielen Jahren findet am Holocaust-Gedenktag am Löwenbrunnen eine Gedenkstunde mit Vertreterinnen und Vertretern von Evangelischer und Katholischer Kirche, Synagogen-Gemeinde Köln, Stadt Köln, Lern- und Gedenkort Jawne sowie mit Schülerinnen und Schülern statt. Mit dabei: Rabbiner Yechiel Brukner und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. Alle Beteiligten haben Audio- und Videobeiträge erstellt, die als Video-Gedenkstunde veröffentlicht werden. „Besonders für die beteiligten Schulen war es in der Situation des Distanzlernens nicht einfach, die Beiträge zu koordinieren und zu erstellen“, sagt Rainer Lemaire vom Schulreferat der Evangelischen Kirche. „ Daher gilt unser besonderer Dank den Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern des Schiller Gymnasiums, des Gymnasiums Thusnelda-Straße und es Collegium Josephinum Bonn für ihr Engagement.“ Der Faden des Erinnern und Gedenkens an diesem Ort solle und dürfe auch in der aktuellen Situation nicht abreißen, „denn das gemeinsame Erinnern ist ein wichtiges und notwendiges Zeichen gegen Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung und Rassismus“, so Lemaire.

 

Gedenken an Edith Stein und die Opfer der Nazis: „Wir dürfen nicht schweigen“

 

Der Kölner Stadt- und Domdechant Robert Kleine hat zudem Blumen am Denkmal von Edith Stein (Börsenplatz/Kardinal-Frings-Straße) niedergelegt. Die vom Judentum zum katholischen Glauben konvertierte Philosophin und Frauenrechtlerin wurde 1942 gemeinsam mit ihrer Schwester Rosa im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Msgr. Kleine sagte in seiner sehr persönlichen Botschaft:

„Der heutige Gedenktag ist ein Tag der Erinnerung und zugleich ein Tag der Mahnung. Ich selber war vor einigen Jahren im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und das, was ich dort gesehen habe, die Atmosphäre, die von diesem Ort ausgeht, lässt mich nicht mehr los. Das Edith-Stein-Denkmal von Bert Gerresheim fängt einerseits die Lebensstationen von Edith Stein ein, zum anderen beschreibt es ihren Weg im Konzentrationslager Auschwitz und nimmt mit hinein die unzähligen Opfer, die für die Nationalsozialisten nur eine Nummer waren.

Deshalb sind auch die Häftlingsnummern wirklich realer Menschen im Denkmal verewigt. Die Nationalsozialisten haben versucht, ihnen alle Würde zu nehmen. Dafür steht der große Haufen von Schuhen. Die letzten Meter ihres Lebensweges mussten die Insassen des KZ barfuß gehen. Da sind diese ganzen Fußstapfen, die in die eine Richtung gehen – nämlich zu den Gaskammern. Dazwischen dann zwei Fußspuren, die sich dem entgegenstellen – die Fußspuren des Auferstandenen. Gerade auch für uns als Kirche und für mich als Priester ist der heutige Tag eine Aufforderung nicht wegzusehen.

Wenn heute das Gift des Antisemitismus in unserer Gesellschaft wirkt, wenn gerade in der Corona-Pandemie Verschwörungstheorien verbreitet werden, die in ihrem Grund antisemitisch sind, wenn sich heute Impfgegner gelbe Sterne anheften, wenn auch heute Menschen das Recht auf Leben abgesprochen wird, wenn die Menschenwürde heute in unserem Land oder anderswo in der Welt mit Füßen getreten wird, wenn an den Stammtischen und in den Sozialen Medien Hass und Hetze verbreitet werden, dann darf ich, dann dürfen wir, dann darf die Kirche, dann darf unsere Gesellschaft nicht schweigen. All das geht mir am heutigen Gedenktag durch den Kopf – Trauer, Erinnerung, Gebet für die Opfer des Nationalsozialismus und des Holocaust und zugleich diese Mahnung!

Die Namen begegnen mir auch immer wieder am Löwenbrunnen, wo die Jawne war und mehr als 1100 Kinder und Jugendliche aus Köln deportiert und der größte Teil von ihnen ermordet wurden. Kinder und Jugendliche, die ihr Leben vor sich hatten, das ihnen von einer menschenverachtenden Diktatur geraubt, ja, vernichtet wurde. Alljährlich werden von Schülerinnen und Schülern einzelne Biografien erforscht und uns vor Augen gestellt. Was sind das für Kinder gewesen? Kinder, wie du und ich, Kinder, wie die Kinder und Jugendlichen heute, die gerne leben, die ihren Weg, ihre Zukunft vor sich haben und sie sich in guten und schönen Bildern ausmalen. All diese Namen dürfen nicht vergessen werden. Ihre Geschichten und Schicksale nicht – denn sie mahnen uns auch heute. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass jeder Mensch sein Leben leben kann und darf – überall auf der Welt.“

 

#EINFACHnurMENSCHsein – 60 Sekunden innehalten

 

Das ist der Kerngedanke der Rede, die Marina Weisband am 27. Januar im Deutschen Bundestag zum Holocaust-Gedenktag hält. Diesen Gedanken nimmt die Aktion auf der Kölner Hohenzollernbrücke auf. Von „fünf vor Zwölf“ bis 11.56 Uhr halten 20 Kölnerinnen und Kölner inne und gedenken in 60 Sekunden der mehr als sechs Millionen ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

„Einfach nur Mensch sein“ – diese Botschaft vermitteln Kölnerinnen und Kölner aus allen Bereichen – Schülerinnen und Schüler, Vertreter der Kirchen und der Medien, aber auch „Promis“ wie Samuel Koch, der auch der Initiator ist, Wilfried Schmickler oder Andrei Kovacs, Geschäftsführer des Vereins „1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland“.

Am Morgen des Aktionstages hat Samuel Koch dem ZDF-Morgenmagazin per Liveschalte ein Interview gegeben und die Hintergründe erklärt, warum er sich gegen Antisemitsmus und für das Gedenken einsetzt.

 

Was bedeutet den Teilnehmern das – einfach nur Mensch sein?

 

Stadtdechant Msgr. Robert Kleine: „Gott hat uns Menschen die Würde gegeben und dafür müssen wir eintreten.“

Erzpriester Radu Constantin Miron: „Wir müssen an uns selbst im Spiegel sehen, wie man sich als Mensch verhält.“

Arthur Diglov: „Seine Religion zu feiern, ohne Angst zu haben.“

Samuel Koch: „Wenn wir für jeden der sechs Millionen ermordeten Juden eine Gedenkminute einlegten, wäre es in Deutschland elf Jahre lang still.“

Pfarrer Franz Meurer: „Jesus war Jude – das sagt doch alles.“

 

Das Video von der Aktion und mehr finden Sie auf diesen Kanälen:

https://www.facebook.com/derechtesamuelkoch

https://www.instagram.com/einsamuelkoch/

https://www.youtube.com/channel/UCgsYY8mggsOESazmqi0BF_w/featured

https://youtu.be/7M-FwlNgyIM 

 

„Wehren wir den Anfängen“ – Stadtdechant Kleine auf Radio Köln und DOMRADIO.DE

 

Auf Radio Köln wendet sich Msgr. Kleine mit einer klaren Botschaft zum Holocaust-Gedenktag an die Kölnerinnen und Kölner: „Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung dürfen bei uns in der Gesellschaft keinen Platz haben, damit sich so etwas wie der Holocaust niemals wiederholen kann. Wehren wir den Anfängen!“

 

Ein Interview von Msgr. Kleine mit DOMRADIO.DE können Sie hier nachlesen und hier nachhören. Darin geht es um Antisemitismus heute und anhaltende Verschwörungstheorien, auch in der aktuellen Corona-Zeit.

 

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