„Keine Bühne für Antisemitismus“: Kundgebung gegen geplantes Roger-Waters-Konzert in Köln (8. Mai)
30. März 2023; ksd
UPDATE (5. Mai 2023):
Für Montag, 8. April, einen Tag vor dem geplanten Konzert von Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters lädt ein breites Bündnis aus Politik, Religionen und Institutionen zu einer Kundgebung auf dem Roncallliplatz am Kölner Dom ein. Beginn ist um 17 Uhr. Die Kundgebung, für die das Stadtdekanat Köln als Veranstalter verantwortlich zeichnet, soll ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzen, der dem britischen Musiker aufgrund von Aussagen und Aktionen in seinen Konzerten vorgeworfen wird.
Zu den Rednerinnen und Rednern gehören Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, Stadtdechant Msgr. Robert Kleine und Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger, Professor Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Brigitta von Bülow, Köln stellt sich quer, sowie Dr. Johannes Platz von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Das Bündnis wird (in alphabetischer Reihenfolge) getragen von:
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln
Deutsch-Israelische Gesellschaft AG Köln
Verein EL-DE-Haus
Evangelischer Kirchenverband Köln und Region
Katholisches Stadtdekanat Köln
Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Städtepartnerschaftsverein Köln-Tel Aviv/Yafo
Synagogen-Gemeinde Köln
Lesen Sie hier den Aufruf des Bündnisses.
Pressekonferenz am 4. Mai 2023 im DOMFORUM:
Breites Bündnis gegen Konzert von Roger Waters: Scharfe Kritik an antisemitischen Äußerungen
Mit deutlichen Worten hat sich Stadtsuperintendent Bernhard Seiger gegen das für Dienstag, 9.
Mai, in der Lanxess-Arena geplante Konzert von Roger Waters ausgesprochen: „Es geht uns darum, auf
den schleichenden Weg zur ,Salonfähigkeit des Antisemitismus‘ aufmerksam zu machen. Und ein Salon
sind Konzertbühnen“, sagte Seiger bei einer Pressekonferenz im Vorfeld. Es spreche nichts gegen die
Musik von Roger Waters. „Aber gerade weil er für viele ein Vorbild ist, muss er Verantwortung für
seine Botschaften übernehmen.“ Das Gefährliche in den Anfängen des Nationalsozialismus sei das
schleichende Gift der Menschenverachtung gewesen. „Das Gift hat Dinge denkbar gemacht, die Menschen
mit einem ethischen Kompass nicht denken und schon gar nicht aussprechen dürfen.“
Kundgebung gegen das Konzert am Montag, 8. Mai, ab 17 Uhr auf dem Roncalliplatz
Der 79-jährige Waters, ehemaliger Sänger der legendären Rockband „Pink Floyd“, ist immer
wieder durch israelfeindliche und antisemitische Äußerungen aufgefallen. Jüngst ließ er während
seiner Konzerte ein Luftballon-Schwein mit einem David-Stern fliegen und in der Luft zerplatzen.
Darüber hinaus ist er Unterstützer der Organisation Boycott, Divestment and Sanctions (BDS), die
einen Israel-Boykott umsetzen möchte. „Ich hoffe, dass unsere Klarheit dazu beiträgt, dass Menschen
sensibilisiert werden, wenn Israel- oder judenfeindliche Sätze oder Symbole eine Rolle spielen. Und
dass sie dann beim Konzert pfeifen und nicht etwa applaudieren. Denn das Schweigen 1933 und 1938
war der Weg, der eine öffentliche Meinung salonfähig machte, die nur würdelos, unmenschlich und
ganz und gar unchristlich ist“, schloss Seiger. Er wird einer der Redner sein bei einer Kundgebung
gegen das Konzert am Montag, 8. Mai, ab 17 Uhr auf dem Roncalliplatz. Ein breites Bündnis aus
Kirchen, Parteien, anderen Organisationen und Initiativen protestiert gegen den Waters-Auftritt in
der Lanxess-Arena. Dort wird unter anderem auch Oberbürgermeisterin Henriette Rekers sprechen.
„Wir müssen unseren Kindern zeigen, was richtig und was falsch ist“
Der Kölner Stadtdechant Monsignore Robert Kleine erinnerte daran, dass während der
Pogromnacht 1938 3000 jüdische Männer in die Frankfurter Festhalle getrieben worden waren und
anschließend deportiert wurden. Nachdem die Stadt Frankfurt als Eigentümerin das Waters-Konzert in
ebenjener Festhalle verboten hatte, habe Waters auf die Menschenrechte der 3000 Deportierten
verwiesen, sich mit ihnen solidarisiert und sich selbst auf eine Ebene mit Sophie Scholl gestellt. „
Das ist unfassbar und geschmacklos“, erklärte der Stadtdechant. Bettina Levy von der
Synagogen-Gemeinde Köln sagte, dass es für die Gemeinde ein sehr wichtiges Zeichen sei, dass sich
so viele Menschen in der Stadt gegen den Antisemitismus eines Musikers wendeten. „Wir lassen dem
keinen Raum. Wir müssen unseren Kindern zeigen, was richtig und was falsch ist. Köln ist kein Ort
für antidemokratisches Verhalten, kein Ort für Antisemitismus, Köln ist kein Ort für Roger Waters.
Das Konzert ist inakzeptabel.“
Dr. Jürgen Wilhelm von der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
erklärte, dass niemand unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit die Menschenwürde
beleidigen dürfe: „Das ist ein Skandal, den ich 2023 im Land der Täter nicht für möglich gehalten
hätte.“ Er bedauerte, dass wahrscheinlich viele Konzertbesucherinnen und -besucher nichts über die
politische Einstellung von Waters wüssten. Mit der Wahl des Kundgebungsdatums einen Tag vor dem
Konzert wolle man die Konfrontationen zwischen Besuchern und Kundgebungsteilnehmern in Bahnhofsnähe
vermeiden, erklärte Wilhelm. Claudia Wörmann-Adam erinnerte daran, dass die Verhöhnung der Juden in
Verbindung mit Schweinen eine lange Tradition habe. Schweine würden den Juden als unrein gelten. An
vielen Kirchen gebe es als Figur die „Judensau“. Sie verurteilte die Aktion mit dem Plastikschwein
während der Rogers-Konzerte als “antisemitisch und menschenverachtend“.
Lino Hammer aus der Kölner Ratsfraktion der Grünen erinnerte an die Resolution des Rates
gegen das Konzert und den offenen Brief aller demokratischen Fraktionen an die
Lanxess-Arena-Geschäftsführung, das Konzert abzusagen. Das breite Bündnis mache deutlich, dass die
Stadtgesellschaft solche Veranstaltungen nicht toleriere. „Das ist eine private Halle. Wir können
da nicht eingreifen“, bedauerte Bernd Petelkau, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kölner Stadtrat. „
Aber die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir müssen solche Veranstaltungen in aller
Öffentlichkeit als das brandmarken, was sie sind: antisemitisch.“ Deutlich wurde auch Christian
Joisten, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat: „Das ist ein schlechter Tag für Köln. Ich appelliere
im Namen aller an die Justiz, hier genau hinzusehen. Was Herr Waters verbreitet, sind keine
Geschmacklosigkeiten, das sind aus meiner Sicht klare Straftatbestände.“
Text: Stefan Rahmann
Köln (ksd/apk/ka). „Chag Pessach Sameach“ – herzliche Glückwünsche zum diesjährigen Pessachfest (5. April) des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, des Katholischen Stadtdekanats Köln und des Katholikenausschusses in der Stadt Köln angesichts der aktuellen Diskussion um das geplante Konzert des Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters am 9. Mai 2023 in der Lanxess-Arena. Unterzeichnet wurde die gemeinsame Stellungnahme von Stadtdechant Msgr. Robert Kleine, Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Gregor Stiels, dem Vorsitzenden des Katholikenausschusses in der Stadt Köln. Die Stellungnahme im Wortlaut:
Vom 6. bis 13 April feiern unsere jüdischen Mitbürger*innen Kölns Pessach. Wir gratulieren der Synagogen-Gemeinde Köln und der Jüdischen Liberalen Gemeinde Gescher LaMassoret von Herzen zum diesjährigen Fest! Pessach gehört zu den höchsten Festen des Judentums, gedenkt es doch der Befreiung des jüdischen Volkes aus der Sklaverei in Ägypten. Es ist ein Fest der Emanzipation und der Befreiung sowie des Vertrauens auf Gottes Verheißung. Die jüdischen Wurzeln des Christentums zeigen sich unter anderem daran, dass wir an Gründonnerstag an das Pessachmahl erinnern, das Jesus als Jude mit seinen Jüngern im Abendmahlssaal gefeiert hat.
Trotz dieser engen Beziehung zum Judentum ist die Geschichte der christlichen Kirchen schon früh von Hassausbrüchen und Verfolgungen gegen das Judentum geprägt. Leider hat erst das einzigartige Menschheitsverbrechen der Shoa den maßgeblichen Anstoß zu einem grundlegenden Umdenken in den Kirchen geführt. Unsere Kirchen betrachten das Judentum heute als eigenständigen Heilsweg unter Gottes treuer Bewahrung und als unverzichtbaren theologischen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Deshalb sind wir dankbar, dass sich nach der Shoa wieder jüdische Gemeinden in unserer Stadt etabliert haben, die das religiöse und kulturelle Leben bereichern.
Unsere Gratulation zu Pessach verbinden wir mit einem Bekenntnis zu unserer besonderen Verantwortung als Christen und als Staatsbürger dafür, dass Jüdinnen und Juden in Frieden und Sicherheit leben können. Wir sind wir darüber entsetzt, dass Antisemitismus unterschiedlichster Ausprägungen bis in die Mitte unserer Gesellschaft wieder salonfähig wird. Querdenker, Reichsbürger und andere bemühen antisemitische Stereotype zur Begründung ihrer Verschwörungsideologien.
Nun soll ein Tag nach dem Jahrestag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft am 9. Mai 2023 in der größten Halle Kölns mit Roger Waters ein Musiker auftreten, dessen israelbezogener Antisemitismus hinlänglich bekannt ist und der sich verständnisvoll gegenüber dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gezeigt hat.
Welche Argumente im Einzelnen gegen diesen Auftritt sprechen, ist in den Stellungnahmen der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit , der Synagogen Gemeinde Köln und der demokratischen Fraktionen im Rat der Stadt Köln nachzulesen. Wir schließen uns diesen Stellungnahmen ausdrücklich an und sind dankbar für den breit getragenen Protest gegen die Geschäftsführung der Lanxess-Arena und den Veranstalter FKP Scorpio.
Es ist unfassbar genug, dass Jüdinnen und Juden auch 78 Jahre nach der Shoa in Köln und in Israel nicht sicher fühlen können. Umso unverständlicher ist es, dass man in dieser Stadt einem Musiker eine Bühne bietet, der antisemitistische Verschwörungsideologien und Israelfeindlichkeit verbreitet. Dies widerspricht zutiefst dem Geist und dem Inhalt der Kölner Friedensverpflichtung, die bereits seit 2006 dem Engagement des Kölner Rats der Religionen unter Vorsitz von Oberbürgermeisterin Henriette Reker zugrunde liegt. Dort heißt es: „Mit unserer ganzen Kraft wollen wir dazu beitragen, dass Hass und Gewalt überwunden werden und Menschen in unserer Stadt Köln und überall auf der Welt in Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit leben können.“
Im Jahr 2021 haben 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert, dessen erste urkundliche Erwähnung sich auf die Gemeinde in Köln im Jahr 321 bezieht. Die erste Erwähnung eines christlichen Bischofs von Köln reicht nur acht Jahre weiter zurück.
Genauso lange wie Ostern wird also auch Pessach in Köln gefeiert – das Fest der Befreiung und der Verheißung.
Die Befreiung von Unsicherheit und Ängsten und die Verheißung einer besseren Zukunft in Sicherheit und Frieden wünschen wir auch heute allen jüdischen Bürger*innen Kölns und Israels.
Das Konzert von Roger Waters in dieser Stadt stellt auch vor diesem Hintergrund eine unerträgliche Belastung dar.
Das Katholische Stadtdekanat Köln hatte die Forderung der Synagogen-Gemeinde und der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit nach einer Absage des Konzertes bereits im vergangenen Jahr unterstützt.