Kunstwettbewerb zum christlich-jüdischen Verhältnis: Startschuss für die kreative Phase gefallen

12. Dezember 2023; ksd

 

UPDATE (Januar 2024): 

15 Künstlerinnen und Künstler, die zur Teilnahme am Internationalen Kunstwettbewerb Kölner Dom eingeladen worden sind, waren Ende Januar bei einem Auftakt-Kolloquium in Köln zu Gast. Einen Tag lang lernten sie den Dom und Mitglieder der Wettbewerbs-Jury kennen und hatten die Gelegenheit, Fragen zu den künstlerischen Erwartungen und zum Ablauf des Verfahrens zu stellen. Auf Bitte der teilnehmenden KünstlerInnen wird die Frist zur Abgabe der ersten Entwürfe verlängert. 

Zunächst stand für die Künstlerinnen und Künstler eine Führung durch den Kölner Dom auf dem Programm. Mithilfe der Kunsthistorikerin Maria Eiker und des Kunsthistorikers Dr. des Matthias Deml machten sie sich mit der Kölner Kathedrale vertraut, in der auch das neue Kunstwerk zum „ christlich-jüdischen Verhältnis heute“ seinen Platz finden soll.

Anschließend startete das Auftaktkolloquium im Maternushaus mit einem Grußwort von Weihbischof Rolf Steinhäuser, Domkapitular und Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln. Er drückte seine Freude über die Zusagen der Künstlerinnen und Künstler aus und hob hervor wie wichtig es sei, an diesem Tag mit allen Beteiligten des Wettbewerbs zusammenzukommen, um die gestellte Aufgabe in den Blick zu nehmen.

 

Podium zur Genese, zur theologischen Anforderung und zu den Beurteilungskriterien

 

In einem ersten Podiumsdialog fasste Steinhäuser zunächst die Genese und Vision des Planungswettbewerbs zusammen, bevor er sich mit Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, über Geschichte und Gegenwart des Verhältnisses zwischen Christentum und Judentum austauschte. 

Steinhäuser berichtete, wie sich durch die Beschäftigung mit den antijüdischen Artefakten im Kölner Dom seine Wahrnehmung der Kathedrale verändert habe. Die im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 verabschiedete Erklärung Nostra aetate bilde einen entscheidenden Paradigmenwechsel im christlichen Verhältnis zum Judentum. Vom neuen Kunstwerk für den Dom erhofft er sich, „dass es den Künstlern gelingt, für diesen Paradigmenwechsel einen Ausdruck zu finden“.

Abraham Lehrer bezeichnete das Vorhaben der Realisierung eines neuen Kunstwerks für den Kölner Dom als „fantastische Idee, zu der man das Domkapitel nur beglückwünschen könne“. Aufgabe des Kunstwerks soll es für ihn sein, „keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, sondern vielmehr eine Tür für die Zukunft zu öffnen.“

Dr. Stefan Kraus, Leiter des Kolumba Kunstmuseums des Erzbistums Köln und Jury-Mitglied, erläuterte künstlerische Erwartungen und Beurteilungskriterien der zu erwartenden Arbeiten. Er bezeichnete die erstmals von Professor Dr. Reinhard Hoeps im Kölner Domblatt 2008 formulierte Idee, auf die Bilder im Dom mit Kunst zu reagieren, als „richtigen Weg“: „Der Anspruch, in der Kölner Kathedrale mit Kunst ein Zeichen zu setzen, ist sehr hoch und besitzt eine große Strahlkraft - zumindest in Europa aber auch darüber hinaus.“

 

Podium zum Ablauf des Wettbewerbs und seinen Rahmenbedingungen

 

Im zweiten Podiumsdialog konnten sich die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler über den Ablauf und die Rahmenbedingungen des Kunstwettbewerbs informieren. Simon Hubacher vom verfahrensbegleitenden Kölner Büro neubig hubacher Architekten und Stadtplaner erläuterte die verschiedenen Phasen des kooperativen Dialogverfahrens, als das der Wettbewerb angelegt ist. Dombaumeister Peter Füssenich und Kölns Stadtkonservator Dr. Thomas Werner erläuterten die Anforderungen zur künstlerischen Bespielung des Domes, die seiner Eigenschaft als Sakralraum und den Auflagen des Denkmalschutzes Rechnung tragen müssen. 

Füssenich betonte noch einmal, dass man ganz bewusst den Künstlern und Künstlerinnen weder zum Ort noch zu den künstlerischen Mitteln oder zur Form enge Grenzen gesetzt habe. Wunsch sei es allerdings, den Kölner Dom um ein dauerhaftes Werk zu bereichern: „Der Dom ist ein lebendiges Bauwerk, das niemals fertig wird. Es ist notwendig, dass jede Generation sich mit ihm auseinandersetzt und ihm etwas hinzufügen darf.“

 

Verschiebung des Abgabefrist auf August 2024

 

In der jeweils an die Podien anschließenden Diskussion mit den Kunstschaffenden wurde deutlich, dass der bisher gesetzte Abgabetermin für die ersten Entwürfe (20. März 2024) von vielen als zu knapp empfunden wurde. Da die Veranstaltung als Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern gedacht war, wurde der Wunsch vom Auslober des Wettbewerbs nach kurzer interner Abstimmung angenommen.  

„Im Sinne eines Dialogs auf Augenhöhe entsprechen wir dem Wunsch der Kunstschaffenden, ihnen mehr Zeit für die Ausarbeitung ihrer ersten Ideen einzuräumen“, so Weihbischof Rolf Steinhäuser. „ Wir schaffen dadurch verbesserte Wettbewerbsbedingungen, die von allen mitgetragen werden.“

Die Künstlerinnen und Künstlerinnen haben nun bis Mitte August 2024 Zeit, ihre Ideen auszuarbeiten. Nach Sichtung und Diskussion der eingegangenen Konzepte kürt dann die Jury vier Finalistinnen und Finalisten, die in einer Vertiefungsphase um Detailplanungen ihrer Entwürfe gebeten werden. Anschließend wird das als Siegerentwurf prämierte Kunstprojekt gemeinsam mit allen anderen Entwürfen der Öffentlichkeit vorgestellt. Durch die Veränderung der Abgabefrist verschiebt sich der ursprünglich für Herbst 2024 avisierte Abschluss des Wettbewerbes ins Jahr 2025. (mk)

 

Hier geht es zur Themenseite von koelner-dom.de zum Kunstwettbewerb

 

Im Interview mit DOMRADIO.DE spricht Kunsthistoriker Harald Schlüter, stellvertretender Leiter des DOMFORUMs und Referent für Dom- und Kirchenführungen, über die Entdeckung antijüdischer Darstellungen am Kölner Dom.

  

Köln (mk). Für den Kölner Dom soll ein neues Kunstwerk geschaffen werden, das sich mit dem christlich-jüdischen Verhältnis auseinandersetzt. Hierfür lobt das Domkapitel einen Internationalen Kunstwettbewerb aus, dessen Start im August 2023 bekanntgegeben wurde. Mit der Auswahl der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler geht der Wettbewerb nun in die nächste Etappe.

Die Künstlerinnen und Künstler werden im nächsten Schritt ihre Herangehensweise und Idee für ein dauerhaftes Werk im Kölner Dom unterbreiten, das im Bewusstsein der christlich-jüdischen Geschichte den Blick auf Gegenwart und Zukunft richten soll. Folgende Kunstschaffende haben die Einladung des Domkapitels zur Teilnahme am Internationalen Kunstwettbewerb für den Kölner Dom bestätigt:

 

Azra Akšamija, Künstlerin, Cambridge, USA
Ilit Azoulay, Künstlerin, Berlin

Andrea Büttner, Künstlerin, Berlin

Maria Eichhorn, Künstlerin, Berlin

Leon Kahane, Künstler, Berlin

Christoph Knecht, Künstler, Düsseldorf

Zenita Komad, Künstlerin, Sittersdorf, Österreich

Sigalit Landau, Künstlerin, Tel Aviv, Israel, mit Gilad Ashery, Künstler, Tel Aviv, Israel *

Roy Mordechay, Künstler, Düsseldorf

Nira Pereg, Künstlerin, Tel Aviv, Israel

Karen Russo, Künstlerin, London, Großbritannien, mit Michaela Meise, Künstlerin, Berlin *

Julia Scher, Künstlerin, Köln

Ariel Schlesinger, Künstler, Berlin

Ruth Schnell, Künstlerin, Wien, Österreich

Simon Wachsmuth, Künstler, Berlin

 

(* = kollaborative Teilnahme)

 

Viel Freiraum für die Kunstschaffenden

 

„Mir war von Beginn unseres Wettbewerbs an klar: Er kann nur gelingen, wenn wir es schaffen, sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Gaben in das Projekt zu involvieren“, so Weihbischof Rolf Steinhäuser, Domkapitular und Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln. „Ich freue mich über das vielversprechende Feld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die wir auf Vorschlag von acht Kennerinnen und Kennern der internationalen Kunstszene für den Wettbewerb gewinnen konnten. Nach Einschätzung dieser Experten verfügt jede und jeder der Genannten über eine hohe Reputation und ein außergewöhnliches künstlerisches Renommee. Unterschiedliche Nationalitäten sind im Teilnehmerfeld genauso vertreten wie unterschiedliche Generationen. Und auch die künstlerischen Ausdrucksformen, mit denen sich die Teilnehmenden bislang einen Namen gemacht haben, könnten nicht facettenreicher sein: Bildhauer*innen sind im Teilnehmerfeld genauso vertreten wie Medienkünstler*innen, Maler*innen und Konzeptkünstler*innen.“

Auch in der Projektgruppe, die im Auftrag des Domkapitels den Wettbewerb ausrichtet, zeigen sich Vertreter des Domkapitels, der Synagogen-Gemeinde Köln, der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Evangelischen Kirche in Köln sowie Fachleute aus Kunst und Kirche angetan von der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler. 

„Ich freue mich schon sehr darauf, die Vorschläge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur möglichen Aussage und Verortung, zur Beschaffenheit und zum Charakter des neuen Kunstwerks für den Dom kennenzulernen“, sagt Projektgruppen-Mitglied Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Zur Anlage des Wettbewerbs gehört es, dass den Kunstschaffenden bei ihren Vorschlägen möglichst viel Freiraum gelassen werden soll.

 

Fortgang des Wettbewerbs

 

Der nächste Meilenstein des Wettbewerbsprozesses wird ein Kolloquium am 23. Januar 2024 sein, zu dem alle teilnehmenden Kunstschaffenden und die Mitwirkenden in der Jury in Köln erwartet werden. Nach einer darauffolgenden Ausarbeitungsphase werden die Ideen und Konzepte der ausgewählten Künstlerinnen und Künstler im April 2024 von einer Jury gesichtet. Vier Finalistinnen und Finalisten werden in der anschließenden Vertiefungsphase um Detailplanungen ihrer Entwürfe gebeten. Im Herbst 2024 wird das als Siegerentwurf prämierte Kunstprojekt gemeinsam mit allen anderen Entwürfen der Öffentlichkeit vorgestellt.

„In einer Zeit, in der Antisemitismus in Deutschland wieder in einem erschreckenden Maße zunimmt, hat unser Kunstwettbewerb noch einmal eine ganz neue Relevanz erfahren“, ist Weihbischof Rolf Steinhäuser überzeugt. „Nie war es nötiger, den Artefakten im Dom, die von der erschreckenden Judenfeindschaft vergangener Zeiten zeugen, eine aktuelle Botschaft entgegenzusetzen. Dass dies mit den Mitteln der Kunst geschieht, als Ertrag eines Wettbewerbs mit namhaften Kunstschaffenden aus unterschiedlichsten Disziplinen, zeugt von unserem Bemühen um Wirkmacht und Nachhaltigkeit des Zeichens, das wir setzen wollen.“

 

Aktueller Stand der Wettbewerbsauslobung

 

Auf der Themen-Webseite www.koelner-dom.de/kunstwettbewerb finden Sie – neben Hintergrundinformationen zum Internationalen Kunstwettbewerb Kölner Dom – die um die Namen der teilnehmenden Kunstschaffenden und Vorschlagenden aktualisierte Auslobung des Wettbewerbs.

 

Auswahlverfahren und Validierung der Wettbewerbsteilnehmer*innen

 

Vermittelt worden sind die Kunstschaffenden von acht Kennerinnen und Kennern der internationalen Kunstszene, darunter Kuratorinnen und Kuratoren ebenso wie Kunstschaffende. Das Domkapitel als Auftraggeber hatte sich von Beginn an dazu bekannt, dass alle Vorschläge akzeptiert werden, sofern keine schweren Gründe gegen eine Teilnahme vorliegen. Vor dem Hintergrund der Vorgänge rund um die Documenta 15 wurde daher für alle vorgeschlagenen Künstlerinnen und Künstler von unabhängiger Seite geprüft, ob Vorbehalte gegen eine Einladung zur Teilnahme geltend gemacht werden können. Schwere Gründe, die gegen die Einladung von Kunstschaffenden sprechen, liegen demnach vor, wenn diese in der Vergangenheit aufgefallen sind durch Werke mit antisemitischen Inhalten gemäß der IHRA-Definition (Internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus) , die Mitwirkung an Netzwerken, Bewegungen oder Aufrufen, die nach der IHRA-Definition als antisemitisch einzustufen sind und/oder Terror verharmlosen, die Unterzeichnung von offenen Briefen, die sich mit entsprechenden Netzwerken, Bewegungen oder Aufrufen solidarisieren.

Aufgrund der vorgenannten Kriterien kamen acht der ursprünglich vorgeschlagenen Künstlerinnen und Künstler für eine Teilnahme nicht infrage. Sie hatten als problematisch eingestufte offene Briefe unterzeichnet. An ihrer Stelle sind andere herausragende Künstlerinnen und Künstler ins Teilnehmerfeld gerückt, die von den Vorschlagenden alternativ benannt worden waren.

 

Hintergrundinformationen zu den antijüdischen Artefakten im Kölner Dom und zum Internationalen Kunstwettbewerb Kölner Dom

 

Sowohl das Judentum als auch das Christentum können auf eine mindestens 1700-jährige Geschichte in der Stadt Köln zurückblicken. Wie kein anderes Bauwerk spiegelt die Ausstattung des Domes das ambivalente Verhältnis der christlichen Mehrheitsbevölkerung zur jüdischen Gemeinde im hohen und späten Mittelalter. Es entwickelte sich von Duldung und einem mehr oder weniger friedlichen Nebeneinander hin zu einer zunehmenden Ausgrenzung und offenen Feindseligkeit und gipfelte schließlich im blutigen Pogrom von 1349 und in der Vertreibung der Juden aus der Stadt 1424.

Es finden sich Kunstwerke im Kölner Dom, die sich die jüdische Überlieferung aneignen und christlich deuten, damit aber auch auf die jüdischen Wurzeln des Christentums verweisen. Daneben steht das durchaus nicht selbstlos erteilte Judenprivileg des Erzbischofs Engelbert von Falkenburg zum Schutz der in Köln lebenden Juden. Vor allem gibt es aber zahlreiche offen feindselige, diffamierende und polemische Darstellungen. Sie zeugen von einem ausgeprägten christlichen Antijudaismus, der in zahlreichen Pogromen mündete und eine wesentliche Quelle für den späteren Antisemitismus bildet.

Auch aus dem 19. und 20. Jahrhundert finden sich im Dom neben Stiftungen, die vom regen Anteil jüdischer Bürger an der Domvollendung erzählen, noch Bildwerke, die abwertende judenfeindliche Stereotype und Klischees wiederholen. Die katholische Kirche fühlt sich einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Erbe verpflichtet.

Nach einer umfassenden Erforschung und Kontextualisierung der antijüdischen Artefakte in Publikationen, Themenrundgängen und einer Ausstellung soll nun ein neues Kunstwerk für den Dom geschaffen werden. Ziel ist es, ein dauerhaftes Werk im Kölner Dom zu etablieren, das – im Bewusstsein der christlich-jüdischen Geschichte – den Blick auf Gegenwart und Zukunft richtet. Der Kunstwettbewerb wird vom Domkapitel als Einladungswettbewerb mit dialogischem Charakter ausgelobt. Er soll eine bewusste Genese, ein Prozess des Zuhörens, des gemeinsamen Ringens und Wachsens werden. Bewusst möchte das Domkapitel den noch zu findenden Künstlerinnen und Künstlern keine grundsätzlichen Grenzen setzen, wenn es um die räumlichen Gegebenheiten, die Ausmaße und die Materialität des zu schaffenden Werkes für den Kölner Dom geht. Teil des Wettbewerbs wird es sein, über die Aussage und die Verortung, die Beschaffenheit und den Charakter des neuen Kunstwerks sorgsam ins Gespräch zu kommen.

 

Das DOMFORUM bietet Führungen zum Thema „Der Dom und ,die Juden' “ an.

 

Zurück