„Nie wieder Antisemitismus in unserem Land“: Stadtdechant Kleine macht bei „Glanz gegen Rechts“ mit und ruft zu Zivilcourage auf

27. Januar 2020; ksd

Köln. Drei Namen, drei Schicksale: Caroline Goldschmidt, Ernst Richard Goldschmidt, Hans Rudolf Goldschmidt. Stolpersteine aus der Aktion des Künstlers Gunter Demnig erinnern am Domkloster 1 an jüdische Mitbürger Kölns, die in der Nazizeit nach Holland flohen, in die vermeintliche Sicherheit. Doch sie alle wurden gefangengenommen, deportiert und 1943 im KZ Sobibor, einem der schlimmsten Vernichtungslager der Nazis, ermordet. Sie wurden 77, 49 und 44 Jahre alt. Der Kölner Stadtdechant Msgr. Robert Kleine hat die kleinen quadratischen Erinnerungs- und Gedenksteine am Montag, 27. Januar, dem 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, mit Metallpolitur wieder zum Glänzen gebracht.

„Es ist nicht nur die Erinnerung an diese drei konkreten Menschen, die wichtig ist“, sagte der Stadtdechant. „Sondern es auch ist die Erinnerung daran, dass wir heute wieder Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus in unserem Land spüren. Auch dagegen wollen wir den Glanz setzen, nach dem Motto: Schaut hin!“ Es gelte nicht nur, daran zu erinnern, was damals in Deutschland und Europa geschehen sei, sondern auch zu zeigen: „Wir müssen uns einig sein: Nie wieder Antisemitismus in unserem Land!“, betonte Kleine. „Schon wenn sich ein kleines braunes Pflänzchen regt, halten wir als Kirche dagegen.“ Auch das solle die konkrete Aktion am Internationalen Holocaust-Gedenktag bewirken.

Manche Menschen sagten: „Das ist ja schon lange her. Warum sollen wir uns damit beschäftigen? Die heutigen Generationen haben doch gar nichts mehr damit zu tun. Da muss man doch so langsam mal den Mantel der Geschichte darüberlegen“, erklärte der Stadtdechant. Solchen Meinungen und Tendenzen erteilte er eine klare Absage: „Das ist Geschichte, die wir nicht vergessen dürfen!“ Es gebe eine Gefahr der Geschichtsvergessenheit in Deutschland. „Doch nur, wenn ich die Geschichte kenne, kann ich auch Lehren ziehen für das Heute“, so Kleine. „Damals haben zu viele Leute weggeschaut, als Nachbarn deportiert wurden. Jetzt, in unserer Zeit, gilt es, nicht wegzuschauen, sondern hinzuschauen. Und auch aufzustehen und als Einzelner Zivilcourage zu haben, wenn Antisemitismus in einigen Kreisen scheinbar wieder gesellschaftsfähig ist – oder für gesellschaftsfähig erklärt wird.“

Das Katholische Stadtdekanat Köln hatte seine Gemeinden und Einrichtungen dazu aufgerufen, sich an der Aktion „Glanz gegen Rechts“ zu beteiligen. Dabei ging es darum, den Stolpersteinen ihren Glanz zurückzugeben, damit sie und die dahinterstehenden Einzelschicksale im Alltag der Stadt wieder sichtbar werden. Die Initiative dazu ging von der Jüdischen Liberalen Gemeinde Köln Gescher LaMassoret e.V. aus; Schirmherrin der Aktion war Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die auch gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Liberalen Gemeinde, Rafi Rotheberg, Stolpersteine reinigte.

Vor seiner Putz-Aktion hatte der Stadtdechant traditionell das Abschlussgebet bei der Gedenkstunde an der Kindergedenkstätte Löwenbrunnen in der Kölner Innenstadt (Erich-Klibansky-Platz) gesprochen. Dabei betete er: „Lass die Menschen, die deportiert wurden, die in Lagern erniedrigt, gequält und ermordet wurden, niemals in Vergessenheit geraten. Hilf den Überlebenden und ihren Nachkommen aus dem dunklen Schatten von Schweigen und Tod heraus, dass sie Gefährtinnen und Gefährten finden, die ihnen zuhören und daraus lernen. Hilf den Missachteten, Gerechtigkeit zu erlangen. Gib denen eine Stimme, die zum Verstummen gebracht wurden. Schaffe auch heute den Verfolgten Schutz, birg die Flüchtenden in deiner Hand. Lass die Kinder Schutz und Geborgenheit erfahren. Barmherziger Gott wir bitten dich: Gib uns Herz und Verstand für die Menschen unter uns, die Gewalt und Grausamkeit erleiden mussten. Lehre uns Behutsamkeit für ihre verletzten Seelen. Lass uns dich erkennen im Gesicht eines jeden Menschen. Führe uns nicht in die Versuchung von Feindschaft, Hass und Lüge. Stärke uns, gib uns Empathie, lass uns uns miteinander austauschen, respektvoll miteinander umgehen, Freundschaften schließen, Menschlichkeit nicht nur durch Worte, sondern vor allem durch Taten bezeugen. Und lass uns immer wachsen in der Liebe zueinander.“

Die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig erinnern seit 1992 daran, dass sich hinter Worten wie Holocaust oder Shoa konkrete menschliche Schicksale verbergen. Sie halten vor deren früheren Wohnhäusern die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst auch aus dieser Stadt deportiert und von den Nazis ermordet wurden. Allein im KZ Auschwitz wurden bis zu 1,5 Millionen Menschen ermordet, im KZ Sobibor bis zu einer Viertelmillion. Mehr als 75.000 Stolpersteine liegen mittlerweile in 23 europäischen Ländern. Die Aktion „Glanz gegen Rechts“ sollte in diesem Jahr aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz, das zum Synonym für das Grauen des Holocaust geworden ist, an die Opfer erinnern sowie ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus und jede Form der Diskriminierung von Minderheiten. 

 

Mehr zum Thema finden Sie auch in einem Interview von Domradio.de mit Stadtdechant Msgr. Robert Kleine.

 

Der HipHop-Künstler Trettmann hat im vergangenen Jahr einen Song über die Stolpersteine veröffentlicht. Seinen Auftritt mit dem Kölner Orchester RTOEhrenfeld aus der ZDF-Neo-Sendung Neo Magazin Royale finden Sie auf Youtube.

 

Mehr über die Aktion Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig finden Sie hier.

  

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