Ökumenische Friedensandacht zum NRW-Tag: Gemeinsam und glaubwürdig für demokratische Werte eintreten

17. August 2024; ksd

 

Köln. Zum Auftakt des NRW-Tages, der am 17. und 18. August erstmals in Köln stattfindet, feierten die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen sowie aus der Landes- und Stadtpolitik eine ökumenische Andacht im Kölner Dom. Mit dabei waren Staatskanzleichef und NRW-Minister Natanael Liminski und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die beide eine der Fürbitten vortrugen, sowie die Landtagsvizepräsidentin und -präsident Berîvan Aymaz und Christof Rasche sowie Ministerin Josefine Paul. Stadtdechant Msgr. Robert Kleine und der stellvertretende Stadtsuperintendent Markus Zimmermann gestalteten den Gottesdienst, an dem auch Vertreter der Vereinigung „Muslime für den Frieden“ teilnahmen, die rund um Weihnachten und den Jahreswechsel 2023/2024 Mahnwachen am Kölner Dom abgehalten hatten, nachdem islamistische Anschlagspläne gegen das Gotteshaus sowie seine Besucherinnen und Besucher bekanntgeworden waren. Mahmood Ahmed Malhi, Imam der Bait-un-Nasr-Moschee, reihte sich in die Vortragenden der Fürbitten ein.

Traditionell und passend zum diesjährigen Leitwort des großen Bürgerfestes „Gemeinsam verbunden – Generation NRW“ stand die Andacht ganz im Zeichen des Miteinanders und des Friedens. Erinnert wurde dabei auch an die Kölner Friedensverpflichtung der Stadt und der Religionen, die 2006 erstmals vom damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma und den heute im Rat der Religionen zusammengeschlossenen Glaubensgemeinschaften unterzeichnet wurde. So vielfältig und durch viele Kulturen geprägt wie die Domstadt ist auch das zahlenmäßig größte deutsche Bundesland. Darum trugen die Vertreterinnen und Vertreter der Religionen die Erklärung auch während der Andacht am Dreikönigenschrein vor.

 

Stellv. Stadtsuperintendent Zimmermann: „Ein wunderbarer, bunter Haufen von Menschen“

 

„Nordrhein-Westfalen – das ist ein ganz besonderes Bundesland“, sagte der stellvertretende Stadtsuperintendent Markus Zimmermann. „Es ist ja eines der Länder mit dem Bindestrich und das macht deutlich, dass hier Menschen leben, die aus ganz unterschiedlichen Traditionen kommen“. Er zitierte den ehemaligen, 2006 verstorbenen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau, der wiederholt seine Ansicht geäußert habe, dass „die Stärke für dieses Land in der einmaligen Kombination der Eigenschaften seiner Menschen liegt: der Zuverlässigkeit des Rheinländers, der Leichtfüßigkeit des Westfalen und der Großzügigkeit des Lippers“.

Zimmermann ergänzte: „So ist das bei uns in Nordrhein-Westfalen. Wir sind ein wunderbarer, bunter Haufen von Menschen!“ Es seien längst nicht nur die Rheinländer, die Westfalen und die Lipper, sondern es seien viele dazugekommen. „Und was unser Land in den 75 Jahren seines Bestehens bis auf einige wenige Ereignisse immer ausgemacht hat, ist, dass hier Menschen in Toleranz zusammenleben.“

Für Christinnen und Christen habe der Apostel Paulus dieses Grundgesetz so formuliert: „Seid eines Sinnes! Versucht jede Form von Spaltungen zu vermeiden.“ Das sei auch das, was die Menschen in diesem Bundesland verbinde und zusammenhalte, so Zimmermann. „Seid eines Sinnes heißt übrigens nicht: Seid alle einer Meinung“, erklärte der stellvertretende Stadtsuperintendent. „Es gibt ja das Gerede von der Meinungsdiktatur. Man dürfe nicht mehr sagen, was man will. – Nein, wir halten ziemlich viel Blödsinn auch aus. Wichtig ist die Haltung. Seid eines Sinnes.“

Für Christinnen und Christen seien wichtige Elemente dieser Haltung, „dass wir in Respekt leben, dass wir nach der Nächstenliebe handeln, dass wir Menschen nicht verurteilen, dass wir sie eben nicht mehr in Gruppen einteilen – Rheinländer, Westfalen, Lipper, sondern dass wir in der Liebe Gottes leben“, so Zimmermann. „Dass das unser Leben trägt, nicht nur hier in unserem Bundesland, sondern überall auf der Welt. Dass wir uns in der Weise auch stark machen für den Frieden.“ In diesem Sinne wünsche er Nordrhein-Westfalen, dass die Menschen, die sich haupt- und ehrenamtlich engagieren das tun, „weil sie den Drang haben und den Wunsch, dass wir eines Sinnes sind“. Und weiter: „Dass wir Menschen bei uns willkommen heißen und dass wir im gegenseitigen Respekt miteinander leben. Dann bleibt dieses Nordrhein-Westfalen etwas ganz Besonderes.“

 

Stadtdechant Kleine: „Gemeinsam für unsere demokratischen Werte eintreten“

 

Frieden erhalten – „und noch mehr Frieden schaffen“ – erfordere aktives Handeln, Zupacken und Tun, griff Stadtdechant Msgr. Robert Kleine das Friedensthema auf. Vielen Menschen falle das heute schwer angesichts der zahlreichen Krisen und Herausforderungen und einer scheinbar unüberschaubaren Welt und Wirklichkeit. Passiv zuzusehen scheine eine moderne Lebensweise zu werden, so Kleine.

Das Massaker der Hamas im vergangenen Oktober, „die Bomben auf Israel und Gaza, die ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer, das Grauen eines im dritten Jahr stehenden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, wachsender Antisemitismus, auch in unserem Land, hohe Umfragewerte für eine in weiten Teilen rechtsextremistische Partei vor anstehenden Landtagswahlen“ nannte der Stadtdechant Beispiele für das, was Menschen Angst macht, belastet und überfordert und manchen die Hoffnung verlieren lasse. „Abstand halten, das alles gar nicht an sich heranzulassen, scheint da zu helfen. Nur hilft das überhaupt nichts! Die Welt wird nicht dadurch besser, dass wir passiv sind. Und wir selbst widersprechen dem, was Menschsein bedeutet, wenn wir uns nicht am gemeinsamen Leben beteiligen, damit es den Menschen besser geht.“

Es widerspreche dem, was Menschsein bedeutet, „wenn wir eben nicht aufstehen, wo die Menschenwürde mit den Füßen getreten wird, wo Krieg, Terror, Gewalt und Hetze die Oberhand haben“, betonte der Stadtdechant. „Denn was ist ein Mensch? Wie wird ein Mensch er selbst? Er wird es im sozialen, aber auch im christlichen Sinne, indem er Verantwortung auf sich nimmt für seinen Mitmenschen, für den, mit dem zusammen zu leben ihm aufgegeben ist – und zwar nicht nur im engsten, sondern auch im umfassendsten Sinne. Es geht um die Mitsorge – für den kirchlichen Bereich für Schwestern und Brüder, im bürgerlichen Bereich für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger.“

Verantwortung sei grenzenlos. „Es geht nur darum, dass wir, dass du, dass ich irgendwo anfange, an meinem, an deinem Ort – und dass wir dann unseren Blick weiten in Zeit und Raum in eine doch eigentlich wunderbar geschaffene Welt, und dass wir diese Welt mit uns selbst und mit unserem Leben bewahren. Bewahrung der Schöpfung, Bewahrung der Welt.“

Kleine erinnerte daran, dass Jesus Christus immer wieder kritisiert habe, wenn Kälte zwischen Menschen herrschte oder Gleichgültigkeit, Unterdrückung, Ausnutzung und Lust zur Verurteilung. Oder die „Eigenliebe in all ihren Schattierungen“ und Mangel an Mitgefühl. 

„Wenn Jesus dazu auffordert, dass man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst, dann geht es um Mitgefühl, um Sympathie für den Menschen außerhalb der Mauern, die einen umgeben. Wir nennen das heute ja neudeutsch die Blase. Da fühlt man sich wohl – aber dann muss ich die Membran durchstoßen, um die Realität und vor allem den anderen zu erkennen. Auch den, den ich lieben soll“, so der Stadtdechant.

„Jesu Botschaft war universal. Er wollte, dass die Leute an das Recht der Barmherzigkeit glauben sollten. Dass niemand außerhalb der Reichweite der Liebe Gottes stand, und deshalb sollte auch heute niemand außerhalb der Reichweite der Liebe von Menschen stehen.“

Deshalb seien die Menschen in den Städten und Dörfern des Landes auch weiterhin gefordert, „die zu uns geflüchteten Männer, Frauen und Kinder aus welchen Ländern auch immer, willkommen zu heißen, ihnen die Möglichkeiten zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen und so den Arbeitsmarkt für sie zu öffnen sowie die Kinder zu beschulen und zu begleiten“, sagte Kleine.

„Auch in unserer Stadt und sicherlich in vielen NRW-Kommunen gibt es Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch in Köln und anderen Städten und Dörfern gibt es Wahrheitsverdreher, politische Scharlatane, Islamisten und Propagandisten“, warnte der Stadtdechant. „Gegen all diese Gefahren und Gefährder unserer Demokratie und unserer demokratischen Grundordnung müssen wir gemeinsam und als Einzelne aufstehen und die Wahrheit sagen. Deshalb ist es so wichtig, gerade im 75. Jahr unseres Grundgesetzes,gemeinsam als Stadtgesellschaft und in unserem Land, aus allen Kulturen und Religionen einzutreten für unsere demokratischen Werte und diese glaubwürdig in Wort und Tat zu vermitteln.“

 

Oberbürgermeisterin Reker: „Hass und Hetze, Lüge und Gewalt deutlich entgegentreten“

 

„Wir bitten für alle, die eine besondere Verantwortung tragen in Politik und Gesellschaft für unsere Stadt und unser Bundesland NRW: dass sie die Werte von Demokratie, Toleranz und Solidarität stärken und verteidigen. Und dass für alle außer Frage steht, dass Hass, Hetze, Lüge und Gewalt in der politischen Auseinandersetzung deutlich entgegengetreten werden muss“, lautete die Fürbitte von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

 

Minister Liminski: „Kraft und Durchhaltevermögen für die, die sich ernsthaft für den Frieden einsetzen“

 

„Wir beten für den Frieden, in der Ukraine, im Nahen Osten und in den vielen Kriegs- und Krisenregionen: Gib denen, die sich ernsthaft für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, weiterhin Kraft und Durchhaltevermögen. Sei auch bei den vielen Menschen, die bei uns in Nordrhein-Westfalen Schutz suchen vor Gewalt und Krieg und lass sie hier auf Menschen treffen, die ihnen mit Verständnis und Hilfsbereitschaft begegnen“, betete Natanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei und Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien.

 

Die Andacht können Sie bei DOMRADIO.DE noch einmal ansehen.

 

Die Ansprache von Stadtdechant Msgr. Robert Kleine können Sie hier noch einmal ansehen und hier abrufen.

 

Mehr zum NRW-Tag unter www.land.nrw und www.stadt-koeln.de

 

Vor der ökumenischen Friedensandacht besuchte Staatskanzleichef und Minister Natanael Liminski DOMRADIO.DE. Das Interview können Sie hier nachlesen.

 

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