„Die Hoffnung umarmen“: Papst Franziskus mit starker Botschaft zur Corona-Krise

22. März 2020; Hildegard Mathies

Update (27. März 2020):

 

Rom. In einer historisch beispiellosen Geste hat Papst Franziskus vierzehn Tage vor Karfreitag um ein Ende der Corona-Pandemie gebetet. Bei einer feierlichen Andacht auf dem leeren Petersplatz, unter einem in Rom als wundertätig verehrten Pestkreuz von 1522 rief er dazu auf, „diese Zeit der Prüfung als eine Zeit der Entscheidung zu nutzen“. Es ging ihm darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Menschen alle gleich sind und dass es Zeit ist, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist. In einer Zeit von „tiefer Finsternis, ohrenbetäubender Stille und trostloser Leere“, aber auch in einer Zeit, in der die „Masken gefallen“ sind, nahm Franziskus die Angst, Sorgen und Nöte vieler Menschen auf – und überbrachte dennoch eine (vor-)österliche Botschaft der Hoffnung.


Wie ein unerwarteter, heftiger Sturm sei die Corona-Krise weltweit über die Menschen gekommen. Dieser Sturm fegt laut Franziskus Pläne, (vermeintliche) Gewissheiten und die Masken hinweg, die wir alle im Alltag in unterschiedlicher Weise tragen. „Der Sturm legt unsere Verwundbarkeit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheiten auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheiten und Prioritäten gebaut haben“, sagte der sehr ernste Papst. Die Krise mache sichtbar, „wie wir die Dinge vernachlässigt und aufgegeben haben, die unser Leben und unsere Gemeinschaft nähren, erhalten und stark machen“. Der Sturm entlarve „all unsere Vorhaben“, wegzupacken und zu vergessen, „was die Seele unserer Völker ernährt hat“ und all die Betäubungsversuche mit scheinbar „heilbringenden“ Angewohnheiten. „Mit dem Sturm sind auch die stereotypen Masken gefallen, mit denen wir unser ,Ego’ in ständiger Sorge um unser eigenes Image verkleidet haben; und es wurde wieder einmal jene – gesegnete – gemeinsame Zugehörigkeit offenbar, der wir uns nicht entziehen können, dass wir nämlich alle Brüder und Schwestern sind“, betonte Franziskus.

 

Eine Zeit der Entscheidung


Christus rufe „uns auf, diese Zeit der Prüfung als eine Zeit der Entscheidung zu nutzen“. Es sei Zeit zu entscheiden, „was wirklich zählt und was vergänglich ist, die Zeit, das Notwendige von dem zu unterscheiden, was nicht notwendig ist“, sagte der Papst. „Es ist die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten.“
Als Vorbilder stellte Franziskus den weltweit über Internet, TV und Radio zuschauenden und zuhörenden Menschen diejenigen vor Augen, die in der Regel keine Schlagzeilen, kein Rampenlicht und keinen Ruhm bekommen, sondern vergessen werden – auf die sich aber jetzt, in der Corona-Krise, fast aller Augen richten: „Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, Supermarktangestellte, Reinigungspersonal, Betreuungskräfte, Transporteure, Ordnungskräfte, ehrenamtliche Helfer, Priester, Ordensleute und viele, ja viele andere, die verstanden haben, dass niemand sich allein rettet“. Viele Menschen übten sich jeden Tag in Geduld und flößten Hoffnung ein „und sind darauf bedacht, keine Panik zu verbreiten, sondern Mitverantwortung zu fördern“. Dazu kommen Väter, Mütter, Großväter und Großmütter, Lehrerinnen und Lehrer, die „unseren Kindern mit kleinen und alltäglichen Gesten“ zeigen, „wie sie einer Krise begegnen und sie durchstehen können, indem sie ihre Gewohnheiten anpassen, den Blick aufrichten und zum Gebet anregen“. In dieser Krise zeige sich Jesu und Gottes Wille: „Alle sollen eins sein.“

 

Neue Formen von Solidarität zulassen


Inmitten des Sturms, der Krise, die wir gegenwärtig erleben, seien wir herausgefordert und eingeladen, „Solidarität und Hoffnung zu wecken und zu aktivieren, die diesen Stunden, in denen alles unterzugehen scheint, Festigkeit, Halt und Sinn geben“. Und weiter: „Der Herr erwacht, um unseren Osterglauben zu wecken und wiederzubeleben.“ Und Franziskus lenkte den Blick auf die kommenden Tage der Passion – des Leidens Christi mit der Erinnerung an sein Sterben am Karfreitag – und der Auferstehungsfeiern, dem Höhepunkt des christlichen Jahreskreises, die in diesem Jahr wegen des Virus weltweit in der katholischen Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollen: „Wir haben Hoffnung: durch sein Kreuz sind wir geheilt und umarmt worden, damit nichts und niemand uns von seiner erlösenden Liebe trennen kann. Inmitten der Isolation,an Zuneigung und Begegnungen leiden und den Mangel an vielen Dingen erleben, lasst uns erneut die Botschaft hören, die uns rettet: Er ist auferstanden und lebt unter uns.“

Es gelte die Flamme der Hoffnung nicht auszuöschen, sondern wiederzubeleben. „Das eigene Kreuz anzunehmen bedeutet, den Mut zu finden, alle Widrigkeiten der Gegenwart anzunehmen und für einen Augenblick unser Lechzen nach Allmacht und Besitz aufzugeben, um der Kreativität Raum zu geben, die nur der Heilige Geist zu wecken vermag. Es bedeutet, den Mut zu finden, Räume zu öffnen, in denen sich alle berufen fühlen, und neue Formen der Gastfreundschaft, Brüderlichkeit und Solidarität zuzulassen“, erklärte Franziskus. „Durch sein Kreuz sind wir gerettet, damit wir die Hoffnung annehmen und zulassen, dass sie alle möglichen Maßnahmen und Wege stärkt und unterstützt, die uns helfen können, uns selbst und andere zu beschützen. Den Herrn umarmen, um die Hoffnung zu umarmen – das ist die Stärke des Glaubens, der uns von der Angst befreit und uns Hoffnung gibt.“

 

Verbunden war der Gebetsgottesdienst mit der außerordentlichen Spendung des Segens „Urbi et Orbi – der Stadt und dem Weltkreis“ sowie einer Generalabsolution. Franziskus bat um die Hilfe Gottes in dieser Notlage und den Trost für Kranke und Sterbende. Ihnen war symbolisch der leere Petersplatz besonders gewidmet.

 

Die Ansprache von Papst Franziskus im Wortlaut können Sie hier nachlesen.

Das Video vom Gebetsgottesdienst können Sie hier anschauen.

 

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Rom. Papst Franziskus ruft alle Christen weltweit für Mittwoch, 25. März, zu einem gemeinsamen Gebet gegen das Corona-Virus auf. Um 12 Uhr mittags sollen sie einen Moment innehalten und ein Vaterunser beten, schlug er beim Angelusgebet am Sonntag vor.

Außerdem kündigte Franziskus, dessen Ansprache im Live-Stream aus der Privatbibliothek des Apostolischen Palastes gesendet wurde, einen Gebetsgottesdienst gegen das Virus an. Dabei werde er am Freitagabend, 27. März, um 18 Uhr auf dem leeren Petersplatz in Rom einen außerordentlichen Segen „Urbi et Orbi – der Stadt und dem Weltkreis“ erteilen.

 

Eine Live-Übetragung gibt es auf dem Youtube-Kanal von VaticanNews.

 

Weitere Übertragungen auf EWTN; K-TV; BR24 und Radio Horeb.

Das ZDF streamt ebenfalls über seine Homepage und die App.

 

„In diesen Tagen der Prüfung, während die Menschheit vor der Bedrohung durch die Pandemie zittert, möchte ich allen Christen vorschlagen, gemeinsam ihre Stimme zum Himmel zu erheben“, sagte Franziskus laut „Vatican News". „Ich lade alle Oberhäupter der Kirchen und die Führer aller christlichen Gemeinschaften sowie alle Christen der verschiedenen Konfessionen ein, den Allerhöchsten, den allmächtigen Gott anzurufen und gleichzeitig das Gebet zu sprechen, das Jesus, unser Herr, uns gelehrt hat.“ Er lade alle ein, sich über die Medien „geistlich daran zu beteiligen“ .

 

Segen „Urbi et Orbi“ am Freitagabend


Gleiches gelte für den Gebetsgottesdienst am Freitagabend. „Wir werden auf das Wort Gottes hören, wir werden unsere Bittgebete erheben. Und wir werden das Allerheiligste Sakrament anbeten, mit dem ich am Ende den Segen Urbi et Orbi erteile, der mit der Möglichkeit verbunden ist, einen vollkommenen Ablass zu empfangen“, sagte Franziskus.

Solche besonderen Gebetsgottesdienste hat der Papst schon mehrfach gefeiert etwa für das seit Jahren unter Krieg leidende Syrien im September 2013. Erstmals aber verbindet er so einen Gottesdienst mit einem Sondersegen „Urbi et Orbi“. „Wir wollen auf die Pandemie des Virus mit der Universalität des Gebets, des Mitgefühls und der Zärtlichkeit antworten!“, betonte Franziskus. „ Lasst uns vereint bleiben. Lassen wir die einsamsten Menschen und diejenigen, die besonders hart geprüft werden, unsere Nähe spüren!“

 

Burkhard Jürgens, Vatikan-Korrespondent der KNA, erklärt die ungewöhnliche Zeremonie in einem Beitrag, den Sie hier nachlesen können.

 

Die Ansprache von Papst Franziskus mit der Ankündigung der beiden besonderen Gebetszeiten können Sie hier im Wortlaut nachlesen.

 

Das Vaterunser und die Einleitung des Papstes dazu gibt es zum Nachlesen und Nachhören auf VaticanNews.

  

Weltweit hatten sich auch andere Kirchen und Religionsgemeinschaften beteiligt. Einen Bericht dazu können Sie hier nachlesen.

 

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