Stadtdechant Kleine zum 20. Jahrestag des 11. September: „Vielleicht sind die Hoffenden die Einzigen, die nicht hilflos sind“

11. September 2021; ksd

Köln. Der 11. September 2001 ist einer dieser Tage, von denen jede und jeder auch nach jetzt zwei Jahrzehnten noch sagen kann, wo sie oder er war. Wie man die Nachricht und die Bilder von den Terroranschlägen in New York und auf das Pentagon erlebt hat sowie von dem Flugzeug, das Passagiere bei Shanksville in Pennsylvania zum Absturz brachten, um einen Anschlag auf Washington zu verhindern. Es war ein Datum, das für die Welt eine Zäsur bedeutet hat, deren Folgen bis heute anhalten. Doch was blieb, waren nicht nur Trauer und Trauma – sondern auch Hoffnung. Und eine Aufforderung an uns Menschen, besonders an uns Christinnen und Christen. Darüber predigte Kölns Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine am Morgen des 20. Jahrestages im Kölner Dom.

 

„Es gibt Tage, Daten, da weiß man genau, wo man war. Und so geht es mir – und sicherlich auch Ihnen – mit dem 11. September 2001“, so Kleine. Er selbst kam nach einer Visitation mit Weihbischof Manfred Melzer in die Domsingschule zurück, wo er als Schulseelsorger tätig war. „Dann sah man, dass einige vor einem kleinen Fernseher saßen, als das erste Flugzeug in das World Trade Center geflogen war. Und zu Hause saß ich dann weiter vor dem Fernsehen und musste, wie so viele, den Einsturz dieser Türme mitansehen und erleben.“

Der Stadt- und Domdechant zitierte dann einen Schüler, der nach dem Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt im April 2002 gesagt hatte: „Vielleicht sind wir Hoffenden die Einzigen, die nicht ganz hilflos sind.“ Vielleicht, so Kleine, könne das auch über dem 11. September stehen, über allen Katastrophen, vor allem über allen Anschlägen, bei denen Menschen andere Menschen töten und ihnen ganz bewusst Leid zufügen.

„Vielleicht sind die Hoffenden die Einzigen, die nicht ganz hilflos sind. Die Hoffenden, die Menschen, die tief in sich ein Bild des Lebens haben, des Lebens für sich und für andere. Die einen Blickwinkel haben, der wegführt von Terror und Tod. Und die daran glauben, dass diese Welt von Gott gut geschaffen ist. Dass sie eigentlich ein Raum des Lebens sein möchte, der die Unterschiedlichen miteinander leben lassen kann, ohne sie alle gleich zu machen. Der Platz hat für Glaubensüberzeugungen, ohne dass ich dem Anderen das Daseinsrecht absprechen ,muss‘. Dass die Welt eigentlich ein Raum ist, der der Liebe und der Versöhnung Raum und Zeit gewährt“, sagte der Stadtdechant.

 

Erinnerung an Hilfskräfte und Aufforderung zum Einsatz für den Frieden

 

Die Hoffenden seien Menschen, die nicht aufhören wollen, an das Gute im Menschen zu glauben, „ obwohl – wenn wir nach Afghanistan und in viele andere Länder schauen – das doch ganz anders aussieht und so vieles dagegenspricht“.

Die Hoffenden vor 20 Jahren seien vor allem auch die Hilfskräfte gewesen. „Zum Beispiel die elf Feuerwehrmänner, die als erstes Einsatzteam am Ort der Katastrophe waren, eingriffen, beistanden, sich durch die Staubwolke kämpften, Menschen herausbrachten – und am Ende alle umkamen“ , erinnerte Kleine. Ihr zerstörtes Feuerwehrauto ist im Gedenkmuseum am Ground Zero zu sehen. „Eine Erinnerung, dass Menschen Hoffnung haben und anderen Hoffnung schenken wollen.“

Kleine weiter: „Ich denke, dass nicht nur in meiner Erinnerung dieser Tag eingebrannt ist. Die Bilder der Menschen, die in ihrer Verzweiflung und Not aus den oberen Stockwerken der glühenden und schmelzenden Hochhäuser in den Tod sprangen. Menschen, auf deren Gesichtern der Staub und die Asche lagen und sie zu Masken werden ließen und von denen viele in den Folgejahren an Krebs gestorben sind.“

In der Folge des Dramas von New York und der anderen Orte des 11. Septembers sind Kriege geführt worden, erinnerte der Stadt- und Domdechant. „Jetzt, vor einigen Wochen in Afghanistan, sollte ein Schluss-Strich gezogen werden – aber es ist kein Schluss-Strich.“ Der 11. September sei ein Tag der Erinnerung und zugleich eine Aufforderung, im Kleinen für den Frieden zu kämpfen. „Im Kleinen als Christinnen und Christen dafür zu sorgen, dass der Brief des Apostels Paulus an die Epheser wenigstens in unserem Leben Gültigkeit hat“, zitiert Kleine aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser. „Seid demütig, friedfertig, geduldig, ertragt einander in Liebe, bemüht euch die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.“ Und er betont: „Ich vertraue darauf: Wenn wir diese Hoffnung haben, wenn wir Hoffende sind, dass das auch der Welt helfen kann.“

 

Den Gottesdienst und die Predigt können Sie in der Mediathek von DOMRADIO.DE abrufen.

  

Zurück