Stadtdechant Kleine zur Eröffnung der Dreikönigswallfahrt: „Der Stern begleitet uns“ – Hoffnungszeichen und Mutmacher

24. September 2021; ksd

Köln. Zum Auftakt und zur Eröffnung der Dreikönigswallfahrt lenkte Stadtdechant Msgr. Robert Kleine den Blick auf die Themen Macht und Hoffnung. Die Heiligen Drei Könige stellte er den Mitfeiernden in der Pilgermesse des Stadtdekanats als Vorbilder für den persönlichen Lebens- und Glaubensweg vor Augen.

 

„Mich faszniert der nächtliche Sternenhimmel“, sagt der Kölner Stadt- und Domdechant zu Beginn seiner Predigt, als er daran erinnert, wie die Heiligen Drei Könige, Sterndeuter oder auch Weisen voller Vertrauen einem ungewöhnlichen Himmelsphänomen gefolgt sind, weil sie spürten, dass dieser Stern sie zu etwas Besonderem zog und leitete. Kleine erzählt von Vincent van Goghs weltberühmten Gemäde „Die Sternennacht“. „So blütengelb habe ich die Sterne noch nie gesehen“, sagt der Stadtdechant. Das Bild, das 1889 entstand, sei für den depressionskranken niederländischen Maler sicherlich ein Hoffnungsbild gewesen.

 

Zuflucht und Hoffnungsschimmer

 

„Als ein Versuch wird es gesehen, seine Krankheit zu bändigen.“ Die Depression, in der es so viel Schatten gebe und Dunkelheit. „Eine Krankheit, bei der es darum geht, das Gefühl zu bekämpfen, nutzlos dahin zu leben und seine Bestimmung zu verfehlen.“ In dieser Grundstimmung malte van Gogh einen strahlenden Abendhimmel, eine Sternennacht. In einem Brief habe er mit Bezug auf dieses Bild und seine Krankheit geschrieben: „Dies alles hält mich nicht davon ab, ein unbändiges Verlangen nach – soll ich das Wort sagen? – nach Religion zu haben. Dann gehe ich in die Nacht hinaus, um die Sterne zu malen“, zitiert Kleine. „Er hat ganz viele hell leuchtende, wunderschöne Sterne gemalt. Für van Gogh sind die Sterne eine Zuflucht – und ein Hoffnungsschimmer.“

„Auch für mich ist der Stern ein Symbol der Hoffnung“, sagt der Stadtdechant weiter. „Er leuchtet, wenn rundum Finsternis herrscht. In Dimensionen, die wir uns gar nicht vorstellen können, in Entfernungen, die wir nicht ermessen können, strahlt er. Die Dunkelheit ist dann nicht zu fürchten, auch wenn der Weg nur schemenhaft oder gar nicht sichtbar ist. Im übertragenen Sinne: Wenn Unsicherheit und Angst mir zur Last werden. Denn wer die Dunkelheit nicht aushält, für den ist jede noch so kleine Lichtquelle ein Zeichen der Hoffnung und ein Mutmacher. Eine Lichtquelle, die Kraft schöpfen lässt.“

 

Machtmissbrauch und die Macht des Kleinen, Schwachen

 

Obwohl die Drei, die heute als heilige Könige im Kölner Dom verehrt werden, erfahrene Sterndeuter waren, sind sie zunächst vom richtigen Weg abgekommen, erinnert Kleine. Sie erwarteten und erhofften, den neugeborenen König, dessen Geburt ihnen der Stern verheißen hatte, in einem Palast zu finden. Wo auch sonst? Es falle ja ganz automatisch in den Blick: „Das Machtvolle, der König, der Hof, die Macht.“ Doch der (neue) große König ist ganz „macht-los“, quasi „ohn-mächtig“, so Kleine: „Ohne Macht liegt er im Stall von Bethlehem.“

Herodes sei ein König gewesen, der seine Macht immer wieder missbraucht habe. „Bei ihm ist nichts Gutes zu erwarten – wie immer, wenn Mächtige nur darauf aus sind, ihren eigenen Einfluss zu erhalten und zu sichern“, betont der Stadtdechant. „Die Macht-Inszenierung des Herodes steht im totalen Gegensatz zu dem, für das die Krippe zum Sinnbild geworden ist, für das Kleine, Schwache, Bedürftige, Ohnmächtige. In der Krippe entdecken die Weisen eine ,Macht-Inszenierung`eigener Art: Gott wie einer von uns.“

Macht an sich sei nicht schlecht, sondern könne auch Positives bedeuten. Mit Blick auf die wenige Tage später anstehenden Bundestagswahlen erläutert Kleine: „Eine starke Demokratie, ein funktionierendes Rechtssystem, freie Medien, das hat doch sein Gutes! In einer Studie las ich vor kurzem, dass weltweit nur zwei Prozent aller Menschen in einer nach unserem Verständnis freien Zivilgesellschaft leben, in der sie ihre Grundrechte auf Meinungsfreiheit, Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und Religionsfreiheit uneingeschränkt – uneingeschränkt! – ausüben können. Und wir, Deutschland, gehören dazu.“

 

Dem Stern folgen und Christus finden

 

Christinnen und Christen sind dazu eingeladen, dem Vorbild der heiligen Sterndeuter zu folgen, so Kleine weiter. „Folgen auch wir dem Stern, brechen auch wir immer wieder auf, um Christus, den König der Welt, in unserem Leben zu suchen und zu finden.“ Und eben nicht in dem Mächtigen, im Prachtvollen, sondern gerade im Nächsten: „Was ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüder tut, das habt ihr mir getan“, zitiert der Stadtdechant aus dem Matthäus-Evangelium.

„Jede und jeder von uns hat schon so manche Wegstrecke hinter sich, auf unserem Lebens- und Glaubensweg“, sagt Kleine. „Das gehört für uns als Menschen, aber auch als Christinnen und Christen zum Leben dazu: Aufbrechen, losgehen, sich vergewissern, Unsicherheiten aushalten, Unbekanntes erkunden, stehenbleiben, umkehren, in Sackgassen laufen, auf einer Gratwanderung die Balance verlieren, straucheln, wieder aufstehen. Oder mit anderen Worten, was den Glauben betrifft: Fragen, suchen, glauben, zweifeln, vertrauen. Jeder Weg kann und möchte für uns ein Weg des Glaubens werden, auf den Nächsten hin und auf Gott hin. So wie die Heiligen Drei Könige, die Weisen, ihren Weg gegangen sind unter einem guten Stern.“

 

Immer wieder Stern-Stunden: Was machen wir daraus?

 

Die drei Magier haben ihr Ziel erst im zweiten Anlauf erreicht, erinnert Kleine. „Aber was, wenn wir in unserem Leben mehr als zwei Versuche haben? Oder wenn wir das Gefühl haben nie anzukommen, da, wo wir eigentlich hinwollen? Vertrauen wir darauf, dass uns immer wieder Kraft geschenkt wird, den nächsten Versuch zu wagen, dem Stern zu folgen. Ungeachtet aller Enttäuschungen, die sicherlich auch in unserem Lebensbuch schon reichlich Platz gefunden haben. Der Stern begleitet uns!“

Der Stern von Bethlehem ist ein Sinnbild geworden für Jesus Christus selbst, „den Morgenstern, der leuchtet und strahlt, der als Erster aufgeht“, sagt Kleine. „Und wer sich auf diesen Stern verlässt, auf ihn schaut und ihm folgt, der erlebt in seinem Leben immer wieder ,Stern-Stunden`des Glücks und der Begegnung mit anderen Menschen, Sternstunden in der Begegnung mit Gott.“

Der Seelsorger lenkt den Blick darauf, dass diese Begegnungen nicht folgenlos bleiben können: „ Zu gern wüsste ich, was die drei Weisen aus der Begegnung mit Jesus mitgenommen haben nach Hause. Es heißt nur, sie gingen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück. Was haben sie künftig anders gemacht? Wie hat sich das in ihrem Alltag ausgewirkt, was sie da erlebt haben? Gott ist Mensch geworden – was haben sie daraus gemacht? Was machen wir daraus? Was bedeutet das für mein, für unser Leben?“ 

Der Evangelist Matthäus habe berichtet, wie die drei weisen Könige vor dem Kind im Stroh des Stalles niederfielen und den Neugeborenen anbeteten. „Sie fielen nieder“, betont Kleine, „dazu muss ich mich klein machen, hinunterschauen, niederknien. Mich selbst nicht so wichtig nehmen – egal, welches Amt, welche Position ich innehabe.“

 

Einmal ankommen wie die Heiligen Drei Könige

 

Im Inneren des Domes schmückt ein Sternenhimmel das Gewölbe, weil die Kathedrale ein Abbild des himmlischen Jerusalems sein sollte, des Ziels allen irdischen Seins. Draußen, auf dem Vierungsturm, begrüße seit Jahrhunderten der goldene, große „Stern von Bethlehem“ die Pilgerinnen und Pilger von weither. Er weist hin auf das Haus Gottes, in dem die Reliquien der Heiligen Drei Könige verehrt werden. Doch diese Gebeine im Dreikönigenschrein sind kein Selbstzweck, betont Kleine. „Die Heiligen Drei Könige stellen nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern die Weisen verweisen auf das Kind, das sie beschenkt haben mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. So sind auch wir immer wieder eingeladen, auf den Stern zu schauen und vor allem auf Jesus Christus, Gottes Sohn. Und so können wir bitten: Weise mir Gott, den Weg, den ich gehen soll. Schicke mir deutliche Hinweise an den Wegkreuzungen meines Lebens, zeig' mir Himmelsspuren, zeig' mir den Stern, dem ich auf Erden folgen soll. Und so erfüllt sich hoffentlich auch einmal mein Wunsch, unser Wunsch anzukommen wie die drei Weisen.“

 

Die Predigt von Stadtdechant Msgr. Kleine und den Gottesdienst zur Eröffnung der Dreikönigswallfahrt finden Sie auf DOMRADIO.DE im Video.

 

Interviews, Videos und Informationen zur Wallfahrt finden Sie in diesem Beitrag und auf dreikoenige-koeln.de

 

Die Kollekten während der Dreikönigswallfahrt, die bis zum 26. September dauert, sind für in Projekt der Malteser für Menschen ohne Krankenversicherung bestimmt sowie für die Fluthilfe nach der Flutkatastrophe vom Juli bestimmt. Die Gebete gelten besonders auch der Bitte um Frieden in Afghanistan.

   

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