Via Reformata in ökumenischer Verbundenheit eröffnet

29. Oktober 2021; ksd

Köln (apk/ksd). Die „Via Reformata“ ist ein neuer Geschichtspfad zur Reformation in der Kölner Innenstadt und wird von der Evangelischen Kirche in Köln und Region präsentiert. Im Jahr 2017 jährte sich der Thesenanschlag zu Wittenberg zum 500. Mal, Protestantinnen und Protestanten feierten in der ganzen Welt in ökumenischer Verbundenheit Martin Luthers kritische Auseinandersetzung mit dem Ablasshandel und das Ringen um die Reform der damaligen Kirche. Die Via Reformata zeigt anhand von zwölf Stationen die Geschichte der Protestantinnen und Protestanten in der Domstadt von der Zeit der Reformation bis in die heutigen Tage. Eröffnet wurde der neue Geschichtspfad wenige Tage vor dem Reformationstag in ökumenischer Verbundenheit. Neben dem evangelischen Stadtsuperintendenten Dr. Bernhard Seiger sprach auch Kölns katholischer Stadtdechant Msgr. Robert Kleine zur Eröffnung.

 

Kaiserwetter herrschte an diesem lauen Herbsttag: das perfekte Wetter für einen Spaziergang. Und zwei Männer wussten, wo es lang gehen könnte. Einen Geschichtspfad zur Reformation und ihren Folgen in der Kölner Innenstadt stellten Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine im Schatten der Antoniterkirche vor. 

 

Evangelischer Stadtweg


Vier Jahre nachdem sich der Thesenanschlag von Martin Luther an der Wittenberger Schlosskirche zum 500. Mal gejährt hat, werden auf der „Via Reformata“ Orte und Persönlichkeiten der evangelischen Geschichte erlebbar. „Bei den Feiern zum Reformationsjubiläum entstand die Idee eines evangelischen Stadtweges mitten im über Jahrhunderte katholisch geprägten Köln, das durch manche Verwerfungen hindurch seinen Weg zu Toleranz und Vielfalt gefunden hat“, sagte Seiger bei der Eröffnung. 

Zwölf Stationen hat der Weg. Auf Stelen, Wand- und Bodenplatten können Passantinnen und Passanten lesen, welche Bedeutung die Orte für die Geschichte des Protestantismus in Köln hatten. Eine Broschüre, die in Gemeinden ausliegen wird, bietet erhellende Informationen zu den Stationen. Mit einem Smartphone lassen sich über einen QR-Code weitere Auskünfte zu den einzelnen Standorten im Internet aufrufen. „Das ist der Hauptgrund für die Via Reformata: Menschen sichtbar und dauerhaft vor Augen zu stellen, welchen Weg unsere Stadt  gegangen ist und wie es mit den religiösen Minderheiten vor 500 oder 250 Jahren war. Und wo wir heute stehen“, beschrieb Seiger die Idee, Vergangenheit zu verknüpfen. Neben den historischen Passagen in der Broschüre gibt es immer wieder aktuelle Querverweise.

 

Erinnerung an große historische Gestalten


Die endgültige Errichtung des Weges wird zwar noch noch ein bisschen dauern. Genehmigungen für die Nutzung des öffentlichen Raums können dauern. Seiger rechnet mit der Fertigstellung im kommenden Jahr. „Es stehen zwei Stelen an der Kartause in der Südstadt und einer hier an der Antoniterkirche. Es folgt die Stele an der Trinitatiskirche. Und bald folgen die Domplatte, der Rathausplatz, der Gürzenich und der Heumarkt“, so der Stadtsuperintendent. Am Ende steht ein 4,5 Kilometer langer Weg mit einer reinen Laufzeit von gut einer Stunde. Die verdoppelt sich, wenn man an jeder Station fünf Minuten verweilt. 

Stationen sind die Alte Universität, an der bedeutende evangelische Theologen wie Adolf Clarenbach und Theoder Fabricius studierten. Weiter geht es zum Roncalliplatz, wo 1520 die Schriften Luthers verbrannt wurden. Im Rathaus wurden zwischen 1523 und 1530 insgesamt 16 Beschlüsse gegen den Besitz und Verkauf lutherischer Schriften gefasst. In der Antoniterkirche feierten die Protestanten am 23. Mai 1802 ihren ersten erlaubten Gottesdienst auf Kölner Stadtgebiet. Martin Luther hat in Köln 1512 das Generalkapitel des Augustiner-Eremiten-Ordens besucht. Die Eremiten waren ein Hort der „Lutherei“, der erst 1533 „gezähmt“ wurde. Aus dem Gürzenich, der „guten Stube der Stadt“, wurde zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein Ort öffentlicher protestantischer Streitkultur. Dort wird an den liberalen Theologen Carl Jatho erinnert, der dort mitreißende Reden gehalten hat.

Station ist auch die Trinitatiskirche, der „evangelische Dom“. Sie ist die erste eigens für die Evangelische Gemeinde Köln erbaute Kirche. Heute dient sie dem Evangelischen Kirchenverband Köln und Region als überregionale Kulturkirche. Sie ist Ort für besondere Gottesdienste, Konzerte, Inszenierungen, Bildungsangebote und viele Kulturveranstaltungen. Der Weg endet an der Kartäuserkirche und dem Haus der Evangelischen Kirche in Köln. Auf dem ehemaligen Gelände des Kartäuserordens sind seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Ämter und Einrichtungen des Evangelischen Kirchenverbands angesiedelt.

 

Heimliche Gottesdienste auf Schifferbooten


„Uns ist wichtig, dass dieser Weg zur Reformation aus ökumenischer Perspektive gestaltet wird. Die Kontroversen früherer Jahrhunderte sind an vielen Stellen überwunden, und es gibt inzwischen einen gemeinsamen wertschätzenden Blick auf den Beitrag der reformatorischen Gedanken und Initiativen in Mitteleuropa und der Protestanten zum Gedeihen unserer Stadt“, erklärte Stadtsuperintendent Seiger. „Alles andere entspricht uns als Kirche auch nicht.“

Fast 300 Jahre lang durften evangelische Christinnen und Christen keinen Gottesdienst auf Kölner Stadtgebiet feiern, erinnerte Seiger. „Das geschah dann heimlich oder auf kleinen Schifferbooten auf dem Rhein.“ 1802 durften erstmals evangelische Gottesdienste gefeiert werden, im Haus der Brauerzunft auf der Schildergasse. Die Antoniterkirche wurde evangelisch und ab 1805 wurden dort Gottesdienste nach evangelischer Art gehalten, so der Stadtsuperintendent weiter. „Köln hat durch manche Verwerfungen hindurch seinen Weg zu Toleranz und Vielfalt gefunden.“ Es bedeute ihm und der evangelischen Kirche sehr viel, dass die Via Reformata in ökumenischer Verbundenheit eröffnet wurde, betonte Seiger.

 

Ökumene – Auf unterschiedlichen Wegen zum selben Ziel

 

Stadtdechant Kleine griff das Bild des Weges auf, das uns im Christentum immer wieder begegne, von den Tagen der Verkündigung über den Kreuzweg Jesu bis zum Emmausgang und dem Aufbruch der Jünger nach dem Pfingstereignis. „Jeder Mensch geht seinen eigenen Lebensweg, jeder Mensch, der glaubt, seinen persönlichen Glaubensweg“,so Kleine. „Und die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden ist auf dem Weg, im Laufe der Jahrhunderte aufgespalten in verschiedene christliche Konfessionen.“ Die Wege seien nicht immer harmonisch nebeneinander gelaufen. „Da wurde sich lange Zeit –zu lange Zeit- bekämpft, da wurden Wege versperrt, Steine in den Weg gelegt. Davon erzählen viele Stationen der Via Reformata.“

Doch dann habe sich endlich – wenn auch langsam – die Erkenntnis durchgesetzt, dass man doch, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen, ein gemeinsames Ziel habe, dass die Wege quasi parallel angelegt seien. „Der Grund, das Fundament der unterschiedlichen Wege ist derselbe: die Heilige Schrift und Jesus Christus, der über sich sagt: ,Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.‘ “ Auch davon erzähle die Via Reformata. „Der Weg geht ja weiter, bis in die Gegenwart. Und da sind wir auf einem sehr guten ökumenischen Weg“, so der Stadtdechant. Das gute Verhältnis von evangelischer und katholischer Kirche habe in Köln eine lange Tradition. „Ich bin zuversichtlich, dass die von Offenheit und gegenseitiger Wertschätzung geprägte Kultur des ökumenischen Dialogs einen positiven Impuls in unsere zunehmend polarisierte Gesellschaft geben kann.“

Kleine weiter: „Ecclesia semper reformanda – die Kirchen haben zu jeder Zeit auf dem Weg der Reform voranzuschreiten, um sich selbst und ihrem Auftrag treu zu bleiben. Ich freue mich und bin dankbar dafür, dass die Via Reformata zu einem gemeinsamen Weg geworden ist, der uns als evangelische und katholische Christinnen und Christen dieser Stadt einander ein weiteres Stück nähergebracht hat. Wir sollten als Christinnen und Christen nie die Hoffnung aufgeben, dass unsere beiden Wege – und die der anderen christlichen Konfessionen –  einmal zusammenkommen und gemeinsam als der eine Weg, die eine Kirche weiterführen.“ 

 

Die Stadt Köln ist dankbar


Brigitta von Bülow, Bürgermeisterin der Stadt, würdigte den ökumenischen Ansatz: „In diesem Geist, so verstehe ich das, ist die Idee zur Via Reformata entstanden. Nicht um zu spalten, sondern um zusammenzuführen. Daher blickt die Stadt Köln dankbar auf diesen neuen Geschichtspfad. Es ist gut, dass der Protestantismus über 200 Jahre nach seiner Anerkennung in Köln sichtbar und erkennbar wird als gestaltender Akteur in der Stadt.“ 

Die Bürgermeisterin kennt sich aus in der Geschichte der Stadt: „Auch Martin Luther kannte Köln. In einer Tischrede von 1538 kritisierte er den Dom aufgrund der Akustik als zum Predigen ungeeignet. Und auch der Dom stellt letztlich, was vielen Kölnerinnen und Kölnern nicht so klar ist, ein Symbol gelebter Ökumene dar. Wurde er doch nach vier Jahrhunderten des Stillstands durch das evangelische Preußen fertiggestellt. Vor allem Friedrich Wilhelm IV. unterstützte die Fertigstellung des Kölner Doms. Die große Begeisterung des Preußenkönigs ließ in katholischen Kreisen die Befürchtung entstehen, er könnte als Bauherr das Recht beanspruchen, den Dom zur Simultankirche umzuwandeln.“ Die Geschichte verlief anders.

 

Stefan Rahmann/ksd

 

via-reformata.de

  

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