Weihnachten 2020: „Die Signatur der Seele“ – Günther Bergmann über äußere Zurücknahme und inneres Wachstum

20. Dezember 2020; ksd

Weihnachten 2020: in diesem Corona-Jahr ist alles anders als sonst – oder doch nicht? Leere Plätze, wo sich sonst Menschen auf den Weihnachtsmärkten drängten. Lockdown statt Hektik in den Einkaufsstraßen. Und auf große Familienfeiern und Reisen quer durch die Lande sollen die Menschen wegen Corona verzichten. Das Jahr hat vielen viel abverlangt – wie lässt sich da Weihnachten feiern? Als Famile, als Paar, als psychisch belasteter Mensch oder als jemand, der schon lange einsam ist? Einfach als Mensch in diesem besonderen Jahr? Und ist wirklich alles anders als sonst? Experten aus Einrichtungen im Stadtdekanat Köln geben in unserer vierteiligen Reihe Impulse, Ideen und Einblicke ins eigene Innere. Günther Bergmann leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatung Köln.

 

Das Wichtigste um zu genießen, was da ist, ist sich darauf einzulassen und nicht im Widerstand gegen Unvermeidliches zu verhaften. Anfangs fiel mir das Tragen der Maske schwer. Mittlerweile bemerke ich sie manchmal in einem guten Gespräch gar nicht mehr. Anfangs waren Videotreffen voller Hürden. Mittlerweile gelingen sie immer routinierter und freundlicher. Wir lernen, was dabei anderes zu beachten ist.

Ich spüre die Traurigkeit, auf so viele persönliche Kontakte zu verzichten. Es ist für die meisten von uns traurig. Hinzu kommt, dass es auch sonst wenig Ablenkung gibt. Dann steigt bei Vielen unweigerlich seelisch Unerledigtes auf. Das drängt auf Verarbeitung und Bewusstseinserweiterung.

Dagegen sollten wir uns nicht wehren. Jetzt ist eine besonders gute Zeit dafür. In der äußeren Zurücknahme wird inneres Wachstum möglich. Es lohnt sich also, diesem unfreiwilligen Mehr an Muße bewusst Raum zu geben. Ich kann die Chance nutzen, mich dabei innerlich führen zu lassen, auch im Gespräch mit Jesus Christus.

Mir helfen ausgedehnte Spaziergänge dabei. Ich nehme jetzt den Wandel und die beglückende Schönheit der Natur noch intensiver wahr, ein fortwährendes Fest! Ich werde dabei innerlich klarer und ruhiger. Dann erlebe ich auch die anheimelnde adventliche Atmosphäre zu Hause intensiver.

Auf dieser Basis kann ich ganz behutsam die Aussicht auf ein vorsichtiges, rücksichts- und liebevolles Weihnachten im kleinen Kreis zulassen. Weihnachten nimmt das Wort Fleisch an und bringt uns „das wahre und unzerstörliche Leben“, wie Nikolaus von Kues es so schön formuliert. Ich wünsche uns darüber mit seinen Worten „eine herzliche, innerliche Freudigkeit“!

 

Bemerke die wunderbare Kraft des Worts!
Es macht die Seele wie von einem tiefen Schlafe erwachen,
es löst sie und befreit sie von dem Tode der Unwissenheit und Traurigkeit.
Ist es einmal die Signatur der Seele geworden,
so gibt es ihr eine herzliche, innerliche Freudigkeit,
weil es ihr das wahre und unzerstörliche Leben bringt,
da es das Wort Gottes ist und das Licht des Lebens,
welches die Finsterniss des Verstandes erleuchtet, in sich hat.
Und welche Seele wird nicht zum Jubel hingerissen werden,
wenn sie die Quelle des Lebens in sich fühlt?

 

(Nikolaus von Kues, 1401-1464, deutscher Philosoph)

  

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