Zwei neue Stationen der Via Reformata in ökumenischer Verbundenheit eröffnet

28. Juni 2023; ksd

 

Köln (ksd/apk). Seit mehr als 500 Jahren gibt es evangelische Christinnen und Christen in Köln. Mit rund 243.000 Mitgliedern leben heute auf dem Gebiet des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region zwar weniger Mitglieder als auf dem Gebiet des Katholischen Stadtdekanats Köln (320.000, Stand: Juni 2023), doch die beiden Kirchen und ihre Spitzenvertreter begegnen sich längst auf Augenhöhe und arbeiten oft gemeinsam an wichtigen Themen für die Stadtgesellschaft. So haben Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine jetzt auch in ökumenischer Verbundenheit zwei neue Stationen der Via Reformata eröffnet: am Platz der Alten Universität, an St. Andreas und dem Kloster der Dominikaner gelegen, und am Domhof, am südlichen Ende des Roncalliplatzes.

Hier erinnert eine Plakette im Steinboden daran, dass im Jahr 1520 dort Schriften Martin Luthers verbrannt wurden – die erste Bücherverbrennung mit Luthers Werken auf dem Boden des damals sogenannten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, wie Stadtdechant Msgr. Robert Kleine erklärte. „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“, zitierte er den deutschen Autor Heinrich Heine (1797-1856). Tatsächlich wurden vom Domhof aus im September 1529 die Protestanten Peter Clarenbach und Adolf Fliedsteden zu ihrer Verbrennung auf dem Gelände des heutigen Melatenfriedhofs gebracht.

 

Gemeinsam für die Freiheit einstehen

 

Damals hätten die Konfessionen gegenseitig die Verbrennung von Büchern und Schriften vollzogen, erinnerte Kleine, um den jeweils Anderen zu signalisieren: „Der Andere gehört nicht zu uns, der gehört eigentlich nicht in diese Welt. Auf jeden Fall ist er kein Christ.“ Ausgegangen war dieses Instrument der Religionsverfolgung von der katholischen Kirche. „Dass diese Zeit Gott sei Dank überwunden ist, dass wir nicht mehr gegenseitig Schriften und Bücher verbrennen, daran erinnert diese Tafel“, so Kleine mit Blick auf die Plakette an der zweiten von insgesamt zwölf Stationen der Via Reformata.

Dieser Geschichtsweg durch Köln, der an vielen Kirchen und anderen Orten vorbeiführt, sei „eine Mahnung für uns – einerseits bilateral, dass wir als Kirchen viel mehr auf das Gemeinsame schauen müssen“, sagte der Stadtdechant an Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger gewandt. „Und das Gebet Jesu um die Einheit müssten wir eigentlich tagtäglich oder stündlich beten, auf beiden Seiten, auch ernstgemeint“, betonte der Kölner Stadtdechant. „Dass wir wirklich versuchen, diese Einheit zu erlangen und mehr auf das Verbindende schauen als auf das Trennende. Und dass wir als Kirchen zusammenstehen, so wie wir es auch schon in den letzten Jahren getan haben, dass wir zusammenstehen, immer da, wo die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Wissenschaft bedroht ist.“

 

Engagement für Demokratie und Meinungsfreiheit

 

Kleine weiter: „Gerade nach dem letzten Wahlsonntag in Thüringen ist das sicher noch einmal umso wichtiger, dass wir dafür einstehen: für die Freiheit des Denkens, die Freiheit des Lehrens, die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit. Und dass wir weiter, auch auf diesem Platz hier, nicht mehr Bücher verbrennen, sondern dass wir auf diesem Platz demonstrieren können. Was wir vielleicht in unserer freiheitlichen Demokratie seit Jahrzehnten gar nicht mehr richtig wahrnehmen, wie schätzungswürdig und wie wunderbar das ist, dass wir in diesem Land leben dürfen. Und dass wir uns verbinden mit Schwestern und Brüdern in anderen Ländern, die heute aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden, aber auch mit allen Menschen weltweit, die Unterdrückung erleiden und deren Leben in Gefahr ist – auch und vor allem, weil sie auf die Freiheit gesetzt haben.“

 

„Luther wollte die Kirche nicht spalten“

 

Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger hatte bei der Eröffnung der ersten neuen Station der Via Reformata an St. Andreas die ökumenische Verbundenheit betont: „Ich freue mich darüber und denke: Wie gut, dass wir nach den Irrtümern und der Ablehnung über Jahrhunderte nun hier als Christen vereint stehen und Geschichte bedenken und lernen und hören, wie damals Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten ausgetragen wurden, und wie wir heute gemeinsam unterwegs sind.“

Am Ort der Verbrennung von Martin Luthers Schriften unweit des Kölner Domes sagte der Stadtsuperintendent etwas später, Luther habe die römische Kirche nicht spalten, sondern reformieren, von innen erneuern wollen. „Er wollte einen wissenschaftlichen Disput.“ Seiger erklärte, dass Luther weder bei der Forderung Roms, die 95 Thesen von Wittenberg zu widerrufen, noch nach Veröffentlichung der Bannandrohungsbulle 1520 durch Papst Leo X. „eingeknickt“ sei. Er habe widersprochen und selbst „zu grobem Besteck“ gegriffen: „Er schreibt eine Gegenbulle und bezeichnet die Schrift als Blasphemie und den Papst als Antichrist.“ Aufgrund des Buchdrucks hätten sich die Reformgedanken weit verbreitet.

 

Die Kirchen sollten gegenseitigen Bann und Verdammung überwinden

 

„Als Protestant sage ich: Wie gut, dass Luther und die Seinen aufrecht blieben! Es kann Zeiten geben, da muss man um die Wahrheit streiten“, betonte der Stadtsuperintendent. Heute würden viele Luthers Analyse der festgefahrenen kirchlichen Lage befürworten: „den Verweis auf den Kern des christlichen Glaubens, die Bibel und das Versöhnungshandeln Christi. Und auch weite Teile der römischen Schwesterkirche sehen die Dinge heute tiefgreifend anders als 1520. Wie gut!“ Natürlich habe Luther durch die Bezeichnung des Papstes als Antichrist auch Unrecht gehabt. „Es sprach daraus eine Verachtung, die alles andere als geeignet war, Brücken zu bauen.“

In einem Gedanken dazu ging Seiger auf die Debatte ein, „ob nicht die römische Kirche den Bann gegen Luther aufheben könne und umgekehrt die evangelische Kirche die Verdammungssätze gegen die römische Kurie“. 1999 und 2017 sei da schon viel passiert. „Das könnte die Ökumene voranbringen“, sagte Seiger.

Gleichwohl würden solche Entscheidungen nicht auf Stadt- oder Verbandsebene, sondern in Rom getroffen. „Wichtig ist, dass wir heute partnerschaftlich und respektvoll miteinander umgehen und zusammen lernen, was der christliche Glaube in unserer Zeit uns sagt und wohin er uns treibt. Und das tun wir zusammen“, versicherte Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger. 

 

Text: Hildegard Mathies / Engelbert Broich

 

www.via-reformata.de

 

Einen ausführlichen Bericht lesen Sie auf kirche-koeln.de

 

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