#beziehungsweise. Eine jüdisch-christliche Soiree mit Rabbiner Brukner und Weihbischof Steinhäuser (Video)

11. Januar 2021; ksd

Stadtdekanat Köln

Update (1. Februar):

Yechiel Brukner, Rabbiner der Synagogengemeinde Köln, und Weihbischof Rolf Steinhäuser, Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln, kennen und schätzen sich als Gesprächspartner seit Brukner Ende 2018 nach Köln kam. Nun tauschten sie sich im Rahmen einer christlich-jüdischen Soiree auf Einladung der Arbeitsgemeiunschaft Christlicher Kirchen im Köln (ACK) im Kapitelsaal der Kölner Kartäuserkirche unter anderem über das Projekt „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“ aus. Auf YouTube können Sie die Soiree anschauen.

 

Beziehungen zwischen Juden und Christen im Mittelpunkt


Normalerweise lädt der ACK im Januar zu einem Neujahrsgottesdienst ein. Doch, so erläutert Susanne Beuth, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte, sei 2021 ein besonderes Jahr. „Wir erinnern in den kommenden Monaten an 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln. Darum möchten wir in ganz unterschiedlichen Aktionen die Beziehungen zwischen Juden und Christen in den Mittelpunkt stellen und laden nun zu dieser Soiree ein.“

 

Plakataktion #beziehungsweise

 

Ein besseres Kennenlernen der jüdischen Kultur und des jüdischen Glaubens hat sich auch die bundesweite Plakataktion der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zum Ziel gesetzt. Unter der Überschrift „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“ wird in zwölf Plakaten Verbindendes in Christen- und Judentum aufgezeigt, aber eben auch die Unterschiede sollen Thema sein. In Nordrhein-Westfalen werden auf den Monatsplakaten jüdische und christliche Gedenk- und Feiertage in Verbindung zueinander gesetzt.

 

Lebendiger Austausch

 

Im Januar geht es um „B’reschit – Im Anfang war das Wort“ und besser könnte das Gespräch zwischen Rabbiner und Weihbischof nicht überschrieben werden. Der lebendige Austausch zwischen Rolf Steinhäuser und Yechiel Brukner sei inzwischen eine gute Gewohnheit und gehe mit jedem Gespräch tiefer, so die Dialogpartner.

Und so wurde das Gespräch, moderiert von Thomas Frings, Referent für interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln, philosophisch-theologisch, ging aber zwangsläufig zunächst auch auf die deutsche Geschichte ein. „Die Vitalität des jüdischen Lebens ist Wunder und ein Paradoxon“ bezeichneten Rabbiner und Weihbischof die Tatsache, dass sie auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zurückblicken können. Denn natürlich könne man die Gräuel der Zeit des Nationalsozialismus nicht übergehen, die das jüdische Leben fast ausgelöscht haben, doch das Judentum sei eben auch fester Teil der Geschichte Deutschlands – nachgewiesenermaßen in einem Dokument belegt seit dem Jahr 321.

 

„Alle ein Teil der deutschen Geschichte“

 

So sagt Yechiel Brukner: „Deutschland hat einen Prozess durchgemacht. Es wird, trotz des wieder aufkeimenden Antisemitismus, durchaus auch Annäherung sichtbar.“ Und der Weihbischof ergänzt: „Wir sind alle in die deutsche Geschichte hineinverwickelt, selbst wenn wir nach Kriegsende geboren wurden. Dem müssen wir uns stellen. Wir müssen wach bleiben und der jüngeren Generation einen Zugang zu diesem Teil der Geschichte schaffen.“

Einer Historie, die es, wie der Rabbiner ausführt, im Grunde undenkbar machte, je wieder in einen Dialog miteinander zu treffen, doch gleichzeitig die Verpflichtung schuf, neu und offen ins Gespräch zu kommen, Solidarität zu schaffen. Diese Art der Solidarität zeigte der Weihbischof nach dem Anschlag auf die Haller Synagoge im Oktober 2019, als er die Kölner Synagoge besuchte, um ein Zeichen der Solidarität zu zeigen, denn: „Zusammenhalt darf nicht verbal bleiben.“

Um diesen Funken an junge Menschen weiterzugeben, soll es ein Projekt geben, in dem Jugendliche gecoacht werden. „Das ist gerade schwierig, aufgrund der Pandemie, doch langfristig wollen wir das gemeinsam starten. Das Phänomen Ohnmacht ist nur mit Zivilcourage zu bekämpfen, Ignoranz nur durch Dialog“, erläutert Yechiel Brukner die gemeinsamen Pläne.

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

 

Natürlich bleiben in einem solchen Gespräch Unterschiede nicht unerwähnt. Und so zeigte sich anhand des Monatsplakates „B’reschit – Im Anfang war das Wort“, dass hier durchaus andere Herangehensweisen in Bezug auf das Verhältnis Mensch zu Gott das Denken prägen. Steinhäuser: „In meinem Verständnis ist Gott unser Anfang ist. Er lässt sich auf uns ein. Wir sollen Wege finden, das Spirituelle in das Irdische einzubringen.“ Brukner entgegnet: „Jeder Mensch kann, in unserem Verständnis, die göttlichen Ideale in sich eindringen lassen und widerspiegelt die göttlichen Ideen.“ Gemeinsam sei den Religionen, die Herausforderung, auch heute noch das Wort Gottes zu vermitteln, waren sich Rabbiner und Weihbischof am Ende des Gesprächs einig.

 

Köln. Im Jahr 2021 findet an vielen Orten in Deutschland das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ statt. Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens in Deutschland werden vielfältig und lebendig sichtbar – auch als deutliches Zeichen gegen einen wachsenden Antisemitismus.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln (ACK) lädt am 31. Januar um 18 Uhr ein zu einer jüdisch-christlichen Soiree mit dem Rabbiner der Synagogen-Gemeinde Köln, Yechiel Brukner, und seinem christlichen Gesprächspartner, Weihbischof Rolf Steinhäuser. Beide werden in ihrem Gespräch die Tiefe und Weite der jüdisch-christlichen Beziehung auf der Grundlage der Heiligen Schriften Israels und der Kirche zu ermessen versuchen.

Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Soiree aufgezeichnet und über YouTube am 31. Januar um 18 Uhr veröffentlicht. Den Link zum Video finden Sie dann auf www.321.koeln .

Moderation: Thomas Frings (Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln)

Musikalische Gestaltung: Samuel Meller; Thomas Frerichs

Leitung: Superintendentin Susanne Beuth, Vorsitzende der ACK Köln

 

„Gerade als Kölner Kirchen wollen wir dabei sein und unseren Beitrag leisten, dass Begegnungen gelingen und unsere Kenntnis jüdischen Lebens und Glaubens wächst“, erklärt Superintendentin Susanne Beuth, Vorsitzende der ACK Köln im Vorfeld der Veranstaltung. Die ACK Köln wolle zum Anfang des Jahres ein Zeichen setzen, dass die Beziehung zwischen Juden und Christen dieses Jahr auch und gerade in den christlichen Kirchen und Gemeinden ein zentrales Thema sein sollen, so Beuth. „Daher veranstalten wir nicht wie üblich einen ökumenischen Neujahrsgottesdienst, sondern stellen eine ganz andere Veranstaltung an den Anfang: eine jüdisch-christliche Soiree, in der ein prominenter Vertreter der christlichen Kirchen, der für Ökumene verantwortliche Weihbischof des Erzbistums Köln, Rolf Steinhäuser, und der Rabbiner der Kölner Synagogengemeinde, Yechiel Brukner, miteinander sprechen werden. Es ist ein großes Geschenk, dass diese zwei Repräsentanten sich bei ihren Begegnungen so kennen und schätzen gelernt haben, dass sie in einem sehr lebendigen Austausch sind, an dem sie uns teilhaben lassen wollen. Dabei wird neben Persönlichem die Auslegung des Anfangs der Bibel Thema sein, die uns ja verbindet zu einem Glauben an Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat. Und es geht darum, wie wir miteinander leben können.“

 

Miteinander auf dem Weg – Stadtdechant Msgr. Robert Kleine zum Gedenkjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und den Beiträgen der Kirchen in Köln:

 

Für das Jahr 321 nach Christus bezeugt ein Dekret des römischen Kaisers Konstantin, dass es eine jüdische Gemeinde in Köln gab. Darin heißt es, dass auch Juden in den Rat der Stadt berufen werden können. Hintergrund war eine Anfrage des Rates der Stadt, ob Juden in diesen Rat berufen werden dürften. Das Dekret war die Antwort Konstantins, die sich dann aber nicht nur an Colonia Agrippina, sondern an alle Provinzen des Römischen Reiches richtete. 

Das Dekret Kaiser Konstantins ist der älteste schriftliche Beleg für jüdisches Leben in unserer Stadt. In Köln und seiner Umgebung leben also seit mindestens 1.700 Jahren Menschen jüdischen Glaubens. 

Leider wurde diese Zeit immer wieder durch Verfolgungen und Vertreibungen unterbrochen, die auch im Antijudaismus begründet waren, der zum Teil seine Wurzeln auch im Christlichen hatte. Juden wurden als „Christusmörder“ tituliert und verfolgt.

Auch in Köln fanden besonders im Mittelalter Pogrome (zur Zeit des ersten Kreuzzuges 1096) und im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Pest (besonders 1349) statt. Bereits damals waren Juden Ziel und Opfer von Verschwörungstheorien – was auch eine Brücke in die heutige Zeit schlägt.

1424 schließlich mussten alle Juden Köln nach und nach verlassen, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen nicht mehr verlängert wurden. Wir wissen das so genau, weil der Stadtrat als treibende Kraft gegen den Erzbischof Dietrich von Moers bei der päpstlichen Kurie klagte, weil der Erzbischof den Stadtrat an der Ausweisung zu hindern versuchte. Auf dem Judenviertel wurde das Rathaus und die Ratskapelle gebaut. Durch den Neubau des Jüdischen Museums und die Ausgrabungen wird dieser Ort wieder ganz besonders in den Mittelpunkt gestellt.

Erst mit der Besetzung Kölns durch Napoleon 1798 durften sich Juden wieder in Köln niederlassen. Dann wuchs auch das jüdische Leben wieder in der Stadt.

In der Zeit des nationalsozialistischen Regimes wurden auch in unserer Stadt jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gedemütigt, verfolgt, deportiert und ermordet. In der Reichspogromnacht 1938 wurden alle sechs Kölner Synagogen geschändet. Es gab nicht nur den Einsatz von Christinnen und Christen in unserer Stadt, sondern man muss auch sagen, dass manche geschwiegen oder sich an der Verfolgung von jüdischen Mitbürgern beteiligt haben.

Der Völkermord an den Juden in Deutschland und in ganz Europa während der Herrschaft der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945, dem mehr als sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen, war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte des Judentums weltweit. 

Vielleicht bedurfte es tragischerweise dieser furchtbaren historischen Erfahrung, um auch das Verhältnis der christlichen Kirchen zum Judentum neu zu bestimmen. Es wurde katholischerseits in der Erklärung „Nostra aetate“ (1965) und evangelischerseits zum Beispiel im Rheinischen Synodalbeschluss von 1981 anerkannt, dass der Bund Gottes mit seinem Volk Israel niemals gekündigt wurde und der Heilsweg Israels auch heute noch in Gottes Ratschluss begründet ist. Ein Miteinander auf dem Weg der Religionen – und kein Gegeneinander. In der Folge wurde auch jegliche Judenmission seitens der großen Kirchen beendet. 

Trotz der einmaligen, unfassbaren Verbrechen des Holocaust und des nationalsozialistischen Terrors haben sich nach 1945 Jüdinnen und Juden in Deutschland und in unserer Stadt ein neues Leben aufgebaut und Gemeinden gebildet: es waren Überlebende und Nachfahren der Shoah, genauso wie Zugewanderte aus aller Welt, besonders aus Osteuropa.

Wir müssten doch eigentlich etwas gelernt haben aus der Zeit des Nationalsozialismus mit seinen Schrecken und aus dem neuen Miteinander, aber leider müssen auch heute noch Synagogen und jüdische Einrichtungen von der Polizei geschützt werden. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sind immer noch das Ziel von Verschwörungstheorien – jetzt gerade wieder aktuell in der Corona-Pandemie – und Ziel tätlicher Angriffe und des rechten Terrorismus.

Leider ist auch der jahrhundertealte Antijudaismus der Kirchen weiter eine Quelle rassistisch begründeter antisemitischer Ressentiments. Diese traurige Realität ist für uns als christliche Kirchen in Köln ein weiterer Anlass – neben dem grundsätzlichen Anlass – das Gedenkjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ aktiv mitzugestalten, um auch ein deutliches Zeichen der Solidarität zu setzen und ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus und Ausgrenzung, auch und gerade in unserer Stadt.

Vor fünf Jahren besuchte Papst Franziskus die Synagoge in Rom und sagte damals:

„Johannes Paul II. prägte den schönen Ausdruck ,ältere Brüder‘, und in der Tat seid ihr unsere älteren Brüder und unsere älteren Schwestern im Glauben. Wir gehören alle zu einer einzigen Familie, zur Familie Gottes, der uns als sein Volk begleitet und schützt. Ich wünsche, dass die Nähe, die gegenseitige Kenntnis und Wertschätzung zwischen unseren beiden Glaubensgemeinschaften immer mehr wachsen mögen.“

Damit ist sehr schön formuliert, was uns als christliche Konfessionen eint und was wir uns zusammen mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von den Synagogengemeinden wünschen: gegenseitige Kenntnis und Wertschätzung und dass das weiterwächst und dass wir gut in unserer Stadt und darüber hinaus miteinander auf dem Weg sind und bleiben, vor allem auch im Klaren, was wir nicht wollen und wogegen wir uns einsetzen (Antijudaismus und Antisemitismus – sic.).

 

Lernkoffer für Schulen und andere Angebote

 

„Die Kirchen sind da, wo es um den Dialog mit dem Volk Israel geht, in einer seltenen Einmütigkeit unterwegs“, so Dr. Martin Bock vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. „Das ist einerseits unserer gemeinsamen Schuldgeschichte, aber auch unserer Umkehr und der jetzigen Situation – einem entschlossenen Willen zur jüdisch-christlichen Nachbarschaft – geschuldet. Deshalb war es für uns in Köln klar, dass wir die Zusammenarbeit, die wir auch sonst in der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit pflegen, in diesem Gedenk- und Jubiläumsjahr praktizieren wollen.“ Gleichzeitig wolle die Kirchen den Gemeinden und der Öffentlichkeit viele Angebote machen, sich mit der Geschichte jüdischen Lebens und den Beziehungen zwischen Judentum und Christentum zu beschäftigen.

Für Schulen gibt es auf der Website 321.koeln zahlreiche didaktische Materialien und Angebote zum Mitmachen, darunter Lernkoffer und eine Mitmach-Ausstellung. Die Kirchenmusiker beider Kirchen bereiten Programme für die zweite Jahreshälfte vor, die Akzente aufgreifen. Auch das große ökumenische Kirchenfestival im Herbst soll das Thema aufgreifen. In der AntoniterCityKirche sollen zwei Stummfilme gezeigt werden: „Der Golem“ und „Das Gesetz“.

Im Herbst wird zwischen dem 20. September und dem 6. Oktober eine Mitmach-Ausstellung zum Thema Judentum angeboten. „Das Schöne ist, dass dabei nicht nur die beiden Schulreferate der katholischen und der evangelischen Kirche sowie die jugendpastoralen Stellen beteiligt sind, sondern auch drei Junge Leute aus dem Jugendzentrum der Synagogengemeinde, die viele Ideen und Formate beisteuern“, erklärt Diakon Jens Freiwald, Vorstand der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

 

In der Arbeitsgemeinschaft, welche die Beiträge der Kirchen in Köln zum Gedenkjahr vorbereitet haben, sind vertreten: die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln, das Katholische Stadtdekanat Köln, der Evangelische Kirchenverband Köln und Region, die Synodalbeauftragten der vier evangelischen Kirchenkreise, die Schulreferate (evangelisch und katholisch), die Karl Rahner Akademie, die Melanchthon-Akademie, das Katholische Bildungswerk Köln.

 

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